Atomgespräche in der Hauptstadt der Spione

U.S. Secretary of State John Kerry disembarks from his aircraft after arriving at Kabul International Airport
U.S. Secretary of State John Kerry disembarks from his aircraft after arriving at Kabul International AirportREUTERS
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Nicht nur Irans Nuklearprogramm ist Thema beim Wiener Atomgipfel. Berlin und Washington suchen Einigung im Spionagestreit. Pikant: Ein BND-Spion war offenbar Wiener US-Botschaft zugeordnet.

Die Liste der strittigen Fragen ist lang, das Zeitfenster knapp. Nur ein paar Stunden stehen den Verhandlungspartnern heute in Wien zur Verfügung, um den elf Jahre währenden Streit über das iranische Atomprogramm einer Lösung näherzubringen. Zu den Streitpunkten zählen das Recht des Iran auf Urananreicherung, die Zahl der erlaubten Anreicherungszentrifugen, der Schwerwasserreaktor in Arak und die unterirdische Atomanlage in Fordo. Am 20.Juli läuft die Frist des Übergangsabkommens ab. Sie könnte, so ist aus diplomatischen Kreisen zu hören, verlängert werden.

Das Treffen in Wien dürfte ein Kommen und Gehen werden: US-Außenminister John Kerry sollte – später als ursprünglich geplant – Samstagnacht als erster in Wien eintreffen, direkt aus Afghanistan. Am Sonntagabend muss der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier wiederum rechtzeitig zum Anpfiff zurück in Berlin sein. Dort will er gemeinsam mit dem argentinischen Botschafter in Deutschland das WM-Finale verfolgen. Außerdem werden noch die Außenminister Frankreichs und Großbritanniens erwartet. Russlands Außenminister Sergej Lawrow, der Präsident Putin auf dessen Lateinamerika-Reise begleitet, wird Vize-Außenminister Sergej Rjabkow vertreten. Chinas Vizeaußenminister reist geradewegs aus Lateinamerika an. Irans Außenminister Javad Zarif und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, Moderatorin der Runde, verhandeln bereits seit Tagen in Wien.

Ob das Treffen wie geplant im Palais Coburg stattfinden kann, war bis Samstagnachmittag noch nicht klar. Denn der Ring ist aufgrund der Österreich-Rundfahrt zur Mittagszeit gesperrt, was die Anfahrt per Auto verunmöglicht. Die Atomgespräche könnten daher in die UNO-City oder in die britische Residenz im dritten Bezirk ausgelagert werden, wo das Mittagessen der westlichen Außenminister stattfindet. Bei Tisch soll zunächst der Status quo eruiert werden. Michael Mann, Ashtons Sprecher, sprach von einer „Bestandsaufnahme“. Der Iran müsse dem Westen transparente Garantien dafür abgeben, dass sein Nuklearprogramm ausschließlich friedlich ist. Im Gegenzug will der Westen die Wirtschaftssanktionen gegen Teheran stufenweise suspendieren.

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz will die knappe Zeit auch zur Abstimmung über EU-Personalia mit seinen französischen, deutschen und britischen Kollegen nutzen. Konkret geht es um den Nachfolger von Lady Ashton. Der Slowake Miroslav Lajčák, die italienische Außenministerin Federica Mogherini und Kristalina Georgiewa aus Bulgarien stehen dabei zur Debatte – letztere ist offenbar Wunschkandidatin der Konservativen.


Deutscher US-Spion von Wien geführt. Aussprechen wollen sich auch Steinmeier und Kerry in der schwersten Vertrauenskrise zwischen Deutschland und den USA seit dem Irak-Krieg. Am Donnerstag wies die Bundesregierung den Repräsentanten der US-Geheimdienste in der Berliner US-Botschaft aus. Steinmeier verschob einen geplanten Besuch in Washington. Kanzlerin Merkel telefoniert schon seit einer Woche nicht mehr mit Präsident Obama.Der Rauswurf hochrangiger Geheimdienstler ist unter engen Verbündeten ein höchst seltener Akt. Zwei Spionagefälle, die vermutete Anwerbung eines BND-Mitarbeiters und eines Referenten im Verteidigungsministerium durch US-Dienste, haben das Fass nur zum Überlaufen gebracht. Das Vertrauen, betont man in Deutschland, ging schon mit der millionenfachen Überwachung der Kommunikation deutscher Bürger verloren.

Dass Kerrys und Steinmeiers Aussprache ausgerechnet in Wien stattfindet, ist in der Affäre besonders pikant: Der mutmaßliche US-Spion im BND wurde laut „Spiegel“ von der Wiener US-Botschaft aus geführt. Der 31-jährige BND-Mitarbeiter soll sich seit 2012 mehrmals mit CIA-Agenten aus der hiesigen US-Botschaft getroffen haben. Bei konspirativen Treffen in Salzburg hätten die Agenten von ihm geheime Dokumente erhalten und dafür Geld gezahlt. Für die CIA sei es weniger risikoreich, „die sensible Quelle aus dem nahe gelegen Ausland zu führen“. Die Wahl fiel offenbar auf Wien, Tummelplatz von Diplomaten – und Spionen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2014)

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