Ukraine plant Quote für russische Bücher

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Angesichts der Konfrontation mit Russland will die Regierung genauer überprüfen, was auf den Ladentisch kommt. Zwei russische Filme fanden keine Verleihfirmen wegen „antiukrainischer Propaganda“.

Kiew. Olexandr Sitsch ist Vizepremier und sieht sich selbst als ukrainischen Patrioten. Bei öffentlichen Auftritten trägt er gern die Wyschiwanka, ein traditionelles ukrainisches Hemd mit Kordel und Stickereien. „Patriotisch“ ist auch ein Vorschlag Sitschs, den er am Montagnachmittag bei einer Pressekonferenz in Kiew machte. Der Politiker, der der nationalistischen Partei Swoboda (Freiheit) angehört, sprach sich für eine strengere Kontrolle von in der Ukraine verkauften russischen Filmen und Literatur aus.

Offenbar ist für den Buchmarkt eine Quote in Diskussion, um die Leser vor einem angeblichen Überangebot russischer Bücher zu „schützen“. Sitsch begründete diese Maßnahme mit der Verpflichtung „den ukrainischen Verbraucher vor fremdenfeindlichen Verlagsprodukten zu schützen, die auf eine Destabilisierung der Situation im Lande abzielen“. Auch im Filmsektor steigt in Kiew die Skepsis gegenüber Produktionen aus dem Nachbarland. Die staatliche Kinoagentur teilte mit, dass ab sofort russische Filme dahingehend geprüft würden, „ob sie der nationalen Gesetzgebung entsprechen“.

Den ukrainischen Verleihfirmen geht es dabei insbesondere um die russische Fernsehserie „Die weiße Garde“ nach der Romanvorlage von Michail Bulgakow. Der Roman handelt von den Bürgerkriegswirren des Jahres 1918 in Kiew, als Weißgardisten, die roten Bolschewiken und ukrainischen Nationalisten gegeneinander kämpften.

Ukrainer als Antisemiten dargestellt

Schon nach ihrer Premiere in Russland 2012 führte die Serie zu einem Sturm der Entrüstung in patriotischen Kreisen in der Ukraine, die sich schon damals gegenüber der Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch für ein Ausstrahlungsverbot der TV-Serie im ukrainischen Fernsehen einsetzten. Nationalbewusste Kreise sprachen von „antiukrainischer Darstellung“: Die für ihre Unabhängigkeit kämpfenden Ukrainer – darunter die umstrittene historische Figur Symon Petljura – würden als Chauvinisten, Sadisten und Antisemiten dargestellt.

Auch ein russischer Film von Gleb Orlow über den ukrainischen Meisterringer Iwan Poddubny (1871–1949) erregte Ärger. Diese Filme „demonstrieren Herablassung gegenüber der Sprache, dem Volk und der Staatlichkeit der Ukraine“, so die Kinoagentur. Einzelne Fakten der Historiendramen seien zugunsten Russlands umgeschrieben worden. Beide Produktionen erhalten nun angesichts der angespannten Beziehungen zum Nachbarland keine Lizenz für den Verleih. Von einer „politischen Entscheidung“ sprach Sergej Melkumow, Produzent von „Die weiße Garde“. Der Film behandle Ukrainer und ihre Sprache nicht herablassend. „Wir haben den Film mit großer Verehrung für Bulgakow, für die Ukraine und für Kiew gemacht.“

Auch auf dem Buchmarkt will Kiew regulierend eingreifen. Vizepremier Sitsch kündigte eine Einfuhrquote für ausländische Bücher an. Wie hoch diese sein soll, verriet er nicht. Da viele Leser sowohl ukrainisch- als auch russischsprachig sind, ist die Dominanz russischer Bücher auch nach über 20 Jahren Unabhängigkeit nicht gebrochen. Vor allem internationale Bestseller sind häufiger auf Russisch erhältlich. Nur ein Fünftel der im Land erhältlichen Bücher stammten laut Sitsch aus „heimischer“ Produktion. (som/APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2014)

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