Völkerrecht: Streubomben-Verbot in Reichweite

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Blindgänger töten und verstümmeln noch Jahre nach Ende eines Krieges.

Wien/Dublin (hd). Mit knapper Not kam Branislav Kapetanovic mit dem Leben davon. Es war im November 2000, der routinierte serbische Entminungs-Spezialist in Diensten der jugoslawischen Armee inspizierte eine Stelle, an der sogenannte „Bomblets“ gefunden worden waren: nicht explodierte Sprengkörper, Relikte jener Streumunition, die von der Nato bei den Luftangriffen auf Serbien im Jahr 1999 eingesetzt worden war.

Die Wucht der Explosion trennte Kapetanovic beide Beine und Arme ab, auf einem Auge ist er blind, auch das Gehör trug Schäden davon. Heute ist der 42-jährige Serbe einer der Vorkämpfer in der internationalen Kampagne zum Verbot von Streumunition.

Diese Waffen bestehen aus Dutzenden „Submunitionen“, die über einer Zielfläche niedergehen. Die Blindgängerrate liegt bei manchen Fabrikaten bei bis zu 40 Prozent – und die kleinen, oft bunten Sprenkörper entfalten noch Jahre nach Ende eines Krieges ihre tödliche Wirkung, meist an Zivilisten. Seit gestern, Montag, verhandeln in der irischen Hauptstadt Dublin Vertreter von 109 Staaten über einen Vertrag, der dieses Verbot völkerrechtlich besiegeln soll. Österreich ist an vorderster Front dabei: Ein so umfassendes Verbot, wie es Österreich in seiner nationalen Gesetzgebung bereits verankert hat, gebe es in keinem anderen Staat, sagt Judith Mailath, die umtriebige Chefin der Österreich-Sektion der „Streu-Munitions-Koalition“, eines Zusammenschlusses zahlreicher NGOs.

„Die große Frage ist, wie umfassend das Verbot ausfällt“, prophezeit Majlath im Gespräch mit der „Presse“ ein hartes Feilschen, bis der Vertragstext Ende Mai fixiert sein wird. Zahlreiche Länder fordern Ausnahme-Regelungen. Denn nicht nur die NGOs betreiben Lobby-Arbeit, auch die Rüstungsindustrie ist aktiv. Zwei offene Punkte sind, was genau unter den Begriff „Streumunition“ fällt, und ob es Auslauf-Fristen geben wird; manche Länder verlangen eine Übergangszeit von bis zu 15 Jahren.

„Können nicht auf USA warten“

Signifikant ist, wer in Dublin nicht mit am Tisch ist: Die USA, China, Russland, Pakistan, Indien und Israel, das erst im Libanon-Krieg 2006 Streumunition einsetzte. Es fehlt also eine ganze Reihe der wichtigsten Produzenten und Benützer. Dennoch glaubt Majlath – ähnlich wie beim Ottawa-Vertrag zum Verbot von Anti-Personen-Minen – an die Signalwirkung, die von einer Ächtung von Streumunition ausgehen würde: „Wir können nicht auf die USA warten, sonst kommen wir nirgendwohin.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2008)

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