"Zelte kann man im Libanon aufstellen"

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Christine Baur, Landesrätin in Tirol und zuständig für Flüchtlingsfragen, hält das Aufstellen von Zelten in Österreich für absurd. Auch als grüne Politikerin sei es nicht leicht, Fortschritte in diesem Bereich zu erzielen.

Die Presse: Die Grünen betonten immer wieder, wie zentral das Thema Asyl für sie sei. Warum halten sich Länder wie Tirol, Salzburg oder Oberösterreich, in denen die Grünen mitregieren, nicht an die Betreuungsquote?

Christine Baur: Ich bin nicht grüne Landesrätin, und plötzlich ist die Welt verändert. Das geht nicht von heute auf morgen. In Tirol haben wir eine relativ hohe Qualität in der Betreuung. Man darf sich nicht mit jedem Quartier zufriedengeben, eine gute Betreuung muss dort gewährleistet sein.

Innenministerin Mikl-Leitner überlegt aber schon, Flüchtlinge in Zelten unterzubringen.

Zelte kann man im Libanon aufstellen. Der ist so groß wie Tirol und hat über eine Million Flüchtlinge. Bei uns wäre das absurd.

Man wird aber eine Lösung finden müssen. Und zwar schnell.

Ich halte nichts davon, viel Druck aufzubauen. Ich setze auf Dialog.

Einerseits sagen Sie, dass die Entwicklung Zeit braucht, andererseits gibt es aber einen Aufnahmestopp in Traiskirchen. Irgendetwas muss jetzt ja passieren.

Wir führen täglich Gespräche mit den Gemeinden. Aber die Vorstellung, dass wir morgen 300 neue Plätze haben, ist eine Illusion.

Fordern Sie Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll auf, Traiskirchen wieder zu öffnen?

Ich fordere ihn zu gar nichts auf. Es kommen ja nicht Unmengen an Asylwerbern zu uns. Das ist machbar. Ich fordere höchstens alle auf, miteinander zu sprechen.

Aber wenn das so einfach ist, warum tut man es nicht?

Wenn ich das wüsste...

Sie sitzen schließlich in der Landesregierung, nicht auf der Oppositionsbank.

Wir haben im September eine Flüchtlingskonferenz in Kärnten. Da setze ich viel darauf, dass wir miteinander sprechen werden. Ich kann gern versuchen, nächste Woche alle an einen Tisch zu kriegen. Ich glaube nicht, dass das geht.

Jetzt wäre es aber nötig. Wenn mehr Flüchtlinge als erwartet übers Wochenende kommen, könnten Zelte aufgestellt werden.

Ich könnte die Innenministerin anrufen und fragen, was sie als Nächstes tun wird. Aber ich weiß nicht, ob sie mir Auskunft geben wird.

Sie wirken etwas machtlos.

Hier ist das Ende meiner Macht erreicht. Ich denke schon länger darüber nach, was ich auf meinem Platz dazu beitragen kann, dass alle ein Vorbild im Bereich Flüchtlingspolitik sein wollen.

Haben Sie das in Tirol geschafft?

Nein. Ich habe Schritte gesetzt, um Strukturen zu verbessern, wir haben 140 Plätze geschaffen. Aber wir sind noch nicht dort angekommen, wo wir hinwollen. Das ist der Punkt, den man mir vorwerfen kann.

Haben Sie eine Erklärung dafür, warum Sie hier gescheitert sind?

Ich bin nicht gescheitert. Aber es braucht ein Umdenken in der Politik. Und man darf sich vor der FPÖ nicht fürchten, die das Thema missbraucht.

Was muss passieren, damit es genügend Betreuungsplätze gibt?

Der Tagessatz von 19 Euro muss erhöht werden. Als zweiter Schritt müsste auch Asylwerbern ein Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt werden.

ZUR PERSON

Christine Baur (56) sitzt seit dem vergangenen Jahr als grüne Landesrätin in der Tiroler Regierung. Die gebürtige Innsbruckerin ist zuständig für die Bereiche Soziales, Integration sowie Kinder- und Jugendhilfe. Baur ist außerdem Gemeinderätin in Sistrans sowie Sprecherin der Grünen Frauen Tirol. Sie studierte Rechtswissenschaften an der Universität Innsbruck. [ Die Grünen ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2014)

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