Russland bereitet "Vergeltungsmaßnahmen" vor

Russische Soldaten bei einer Parade.
Russische Soldaten bei einer Parade.(c) EPA
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Überflugsrechte für europäische Fluglinien sollen beschnitten werden. Moskau verdoppelt Zahl an der Grenze zur Ukraine.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat seine Regierung angewiesen, Vergeltungsmaßnahmen für die jüngsten westlichen Sanktionen gegen sein Land vorzubereiten. "Natürlich sollte das sorgfältig geschehen, um einheimische Hersteller zu unterstützen und die Verbraucher nicht zu belasten", zitierten russische Nachrichtenagenturen am Dienstag Aussagen Putins.

Die Zeitung "Wedomosti" hatte zuvor berichtet, Russland werde als Reaktion auf die EU-Sanktionen möglicherweise die Überflugrechte für europäische Fluggesellschaften über Sibirien beschneiden oder streichen. Dies könnte die Kosten für Flüge nach Asien in die Höhe treiben, weil große Umwege nötig würden.

17 Bataillone an Grenze zur Ukraine

Russland hat die Zahl seiner Soldaten an der Grenze zur Ukraine fast verdoppelt, berichtete die "New York Times" am Dienstag unter Berufung auf westliche Regierungsvertreter. Russische Einheiten könnten somit ohneweiteres und mit wenig Vorwarnung grenzüberschreitend aktiv werden, hieß es weiter.

Den Angaben zufolge hat Russland in den vergangenen Wochen bis zu 17 Bataillone - schätzungsweise zwischen 19.000 und 21.000 Soldaten - im grenznahen Gebiet zusammengezogen. Das Blatt sprach wörtlich von einer "gefechtsbereiten Streitmacht" inklusive Infanterie, Artillerie und Luftabwehr.

NATO betont Geschlossenheit

Nachdem Russland außerdem ein Großmanöver begonnen hatte, unterstrich NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen die Geschlossenheit des westlichen Verteidigungsbündnisses. "Die NATO ist entschlossen, alle Verbündeten gegen jederlei Bedrohung zu verteidigen", sagte Rasmussen am Montag im militärischen Hauptquartier der NATO im belgischen Mons.

"Der kriminelle Abschuss von Flug MH17 hat deutlich gemacht, dass ein Konflikt in einem Teil der Welt tragische Konsequenzen überall in der Welt haben kann", sagte Rasmussen. Zusammen mit dem britischen Premier David Cameron hatte er zuvor den NATO-Oberbefehlshaber, den US-General Philip Breedlove, getroffen.

Waffenruhe am Absturzort von MH17 nicht eingehalten

Die Separatisten in der Ukraine warfen der ukrainischen Armee unterdessen vor, die Waffenruhe am Absturzort des malaysischen Passagierflugzeugs nicht einzuhalten. Wegen Granateneinschlags hätten 124 internationale Experten die Untersuchung des Trümmerfelds bei Grabowo abbrechen müssen, teilten die prorussischen Aufständischen mit. Die Rettungskräfte suchen nach Opfern sowie persönlichen Gegenständen der 298 Opfer.

Die Helfer gehen von mehrwöchigen Arbeiten aus. Bisher sei erst eine von fünf Zonen im Gebiet abgesucht worden, sagte ein Sprecher. Die Boeing 777-200 war am 17. Juli vermutlich abgeschossen worden. Armee und Aufständische geben sich gegenseitig die Schuld. Von der ostukrainischen Stadt Charkow aus brachte am Montag eine weitere Maschine Opfer von Flug MH17 in die Niederlande.

Ukrainische Soldaten in Russland

Bei schweren Gefechten mit Separatisten gelangten Hunderte ukrainische Soldaten auf russisches Gebiet. Die Führung in Kiew sprach von einem "taktischen Manöver", russische Behörden von Fahnenflucht. Ein Großteil der 438 Soldaten wolle vorerst in Russland bleiben, sagte Wassili Malajew vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB, der für den Grenzschutz zuständig ist. Dies wies die Ukraine mit Nachdruck zurück. Die Einheit sei nur ausgewichen, sagte Sprecher Alexej Dmitraschkowski.

In den ostukrainischen Gebieten Luhansk und Donezk dauerten die Gefechte der Regierungskräfte mit militanten Gruppen unvermindert an. In Luhansk seien durch Artilleriebeschuss die Wasser- und Stromversorgung sowie das Telefonnetz zusammengebrochen, teilte die Verwaltung der Großstadt mit. Große Versorgungsprobleme gab es auch in der 150 Kilometer südwestlich gelegenen Großstadt Donezk.

Regierungstruppen legten in der Kampfzone Fluchtkorridore für Zivilisten an. Das Feuer werde dort täglich für mehrere Stunden eingestellt, sagte ein Militärsprecher. Der Sicherheitsrat in Kiew rief die Zivilisten in der Ostukraine auf, die von "Terroristen" besetzen Gebiete schnell zu verlassen. Beobachter sahen darin die mögliche Vorbereitung einer Bombardierung.

730.000 Flüchtlinge in Russland

Rund 730.000 Menschen sind seit Jahresbeginn nach UNO-Angaben vor den Kämpfen in der Ost-Ukraine nach Russland geflohen. Außerdem gebe es in der Ukraine 117.000 Vertriebene, teilte der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) am Dienstag mit. Pro Tag wachse die Zahl der Vertriebenen um 1.200 an.

Nach UNHCR-Angaben geht aus diesen Angaben hervor, dass die Zahl der Flüchtlinge viel größer als angenommen ist. Bisher galt die Zahl von 168.000 bei den russischen Einwanderungsbehörden gemeldeten Flüchtlingen als Orientierung für das Ausmaß der Flüchtlingswelle aus der Ukraine.

Den prorussischen Kräften zufolge starben seit Beginn des "Anti-Terror-Einsatzes" der Armee Mitte April etwa 1.500 Zivilisten. In den Gebieten Luhansk und Donezk seien 60 Prozent der Infrastruktur zerstört, sagte Separatistenführer Andrej Rodkin. In den vergangenen Monaten hatten die Konfliktparteien in der krisengeschüttelten Ex-Sowjetrepublik wiederholt unterschiedliche Opferzahlen genannt.

(APA/dpa)

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