Rote Khmer: Ein Urteil, dem keins mehr folgen soll

(c) REUTERS (HANDOUT)
  • Drucken

Völkermordprozess in Kambodscha: Das Sondertribunal hat die zwei ranghöchsten Ex-Anführer des Regimes der Roten Khmer zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Regierung will weitere Prozesse um jeden Preis verhindern.

Phnom Penh. Spät, aber doch ist den Opfern der Roten Khmer in Kambodscha Gerechtigkeit widerfahren: Ein Sondergericht hat am Donnerstag die zwei ranghöchsten noch lebenden und verhandlungsfähigen Ex-Anführer des Khmer-Regimes zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht befand, dass Nuon Chea, der einstige Chefideologe, und Ex-Staatschef Khieu Samphan Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hätten.

In den vier Jahren von 1975 bis 1979, in denen das Regime Kambodscha kontrollierte, kamen etwa 1,7 Millionen Menschen um, rund ein Viertel der Bevölkerung. Sie starben an Überarbeitung, Krankheiten, Hunger oder wurden ermordet. Die Radikalkommunisten haben oft ganze Familien ihrer Gegner ausgelöscht. Im Bestreben, eine utopische agrarische Gesellschaft zu schaffen, töteten die Roten Khmer gezielt Intellektuelle, Stadtbewohner und Mitglieder von Minderheiten. Auch bei Säuberungsaktionen in den eigenen Reihen kamen Tausende ums Leben.

Nuon Chea und Khieu Samphan haben während des Verfahrens sämtliche Vorwürfe von sich gewiesen. Khieu Samphan bezeichnete sich als „Staatschef ohne Macht“, der von den Vorgängen im Land nichts gewusst habe. Nuon Chea erklärte im vergangenen Jahr zwar, er übernehme „moralische Verantwortung“ und entschuldige sich für die vielen Toten. Schuld an den Gräueln trage er hingegen keine. Die Anwälte wollen das Urteil anfechten.

Wegen der schlechten gesundheitlichen Verfassung der Angeklagten – beide sind in den 80ern – gab es dabei zahlreiche Verzögerungen, der Prozess dauerte drei Jahre. Das Urteil vom Donnerstag ist erst das zweite, seit das Tribunal 2006 seine Arbeit aufnahm. Der erste Prozess gegen den Leiter des Foltergefängnisses S-21 hat eine angeregte öffentliche Debatte über die Zeit des Regimes der Roten Khmer angeregt, wie es sie zuvor in Kambodscha nicht gegeben hat.

Massiver Druck auf Gericht

Vielen Kambodschanern leuchtet es jedoch nicht ein, warum sich der Prozess gegen die – aus ihrer Sicht zweifellos schuldigen – Hauptvertreter jahrelang hinzieht, während diese eine relativ komfortables Leben führen können und bestens medizinisch versorgt werden.

Zudem überschattet eine gewaltige Kontroverse die Arbeit des Tribunals: In den vergangenen Jahren haben mehrere hochrangige Mitarbeiter des Gerichts überraschend ihre Posten niedergelegt, unter ihnen zwei internationale Ermittlungsrichter. Dabei wurde bekannt, dass Kambodschas Regierung massiven Druck auf das Gericht ausgeübt hat, damit dieses zwei weitere geplante Verfahren ad acta legt. Das Tribunal ist als hybrider Strafgerichtshof in die kambodschanische Justiz eingebettet. Internationale Mitarbeiter des Gerichts weisen darauf hin, dass sie verpflichtet seien, gegen weitere Haupttäter zu ermitteln. Kambodschas Regierung scheint wild entschlossen, das zu verhindern.

Denn im Kern dieser Ermittlungen stehen ehemals hochrangige Kader, die heute führende Geschäftsleute sind oder hochrangige Posten im Staatsapparat bekleiden. Machthaber Hun Sen warnte sogar mehrfach vor einem Bürgerkrieg, falls das Gericht seine Ermittlungen fortsetzen sollte. Er selbst war Mitglied der Roten Khmer. Als diese begannen, eigene Kader zu ermorden, floh er nach Vietnam und marschierte an der Seite der vietnamesischen Truppen wieder ein.

Im einem zweiten Teilverfahren gegen Nuon Chea und Khieu Samphan könnte es schon früh zu einem Eklat kommen. Nuon Cheas Anwälte beantragten, drei hochrangige Politiker als Zeugen vorzuladen: Derartige Versuche haben bisher immer zu schwersten politischen Verwerfungen geführt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.