Sudan: Jetzt droht auch im Süden wieder Bürgerkrieg

(c) Reuters (David Lewis)
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Tausende fliehen vor neuen Gefechten zwischen Regierungssoldaten und südsudanesischen Milizen.

WIEN/KHARTUM. Es begann mit einem Streit an einer Straßensperre. Südsudanesische Milizionäre stoppten Fahrzeuge der Regierungsarmee. Doch die Soldaten dachten nicht daran, sich aufhalten zu lassen. Erst lieferten die Männer einander Wortgefechte. Dann fielen Schüsse. Ein sudanesischer Soldat starb. Seit diesem Zwischenfall vor mehr als einer Woche wird wieder gekämpft in Abyei – einer Stadt im erdölreichen Grenzgebiet zwischen dem Norden und dem Süden des Sudan. Am Dienstag wurden die Gefechte heftiger. Nachrichtenagenturen berichteten von Dutzenden Toten, die in den Straßen liegen. Laut dem Fernsehsender al-Jazeera verlassen hunderte Zivilisten die Stadt.

Streit um Erdölvorkommen

„Bereits vergangene Woche sind 30.000 bis 50.000 Menschen aus der umkämpften Region geflohen“, berichtet der Österreicher Martin Krottmayer im Telefongespräch mit der „Presse“. Krottmayer koordiniert im Sudan die Hilfsprojekte des Österreichischen Roten Kreuzes. Die meisten der Flüchtlinge hätten sich in den Süden abgesetzt. Die internationalen Helfer seien gerade dabei, für die Menschen Wasser und Nahrung bereitzustellen, erzählt Krottmayer. In der Stadt Abyei gebe es wegen der Gefechte zahlreiche Verletzte, jedoch keine öffentliche medizinische Versorgung. „Wir schauen derzeit gemeinsam mit dem sudanesischen Roten Halbmond, wie wir helfen können.“

Die jüngsten Scharmützel zwischen sudanesischen Soldaten und Kämpfern der „Sudanesischen Volksbefreiungsarmee“ (SPLA) in Abyei nähren die Angst, der Bürgerkrieg zwischen Nord und Süd könnte wieder voll ausbrechen. Seit der Unabhängigkeit des Sudan 1956 hält dieser Konflikt das Land in Atem. Erst 2005 wurde der Krieg zwischen der Zentralregierung in Khartum und den südsudanesischen SPLA-Milizen durch einen Friedensvertrag beendet. Der Südsudan hat seither eine von Khartum anerkannte Regionalregierung. 2011 soll ein Referendum darüber entscheiden, ob Südsudan Teil des Gesamtstaates bleibt.

Klare Grenzen zwischen beiden Landesteilen stehen noch nicht fest. Die Region Abyei wird vom Norden und vom Süden beansprucht – wegen der gewaltigen Erdölvorkommen, die hier unter dem Boden schlummern.

Kampf an zwei Fronten

Abyei ist nun die zweite Front, an der Sudans Regime zu kämpfen hat. Erst am 10. Mai waren Rebellen aus der westsudanesischen Region Darfur bis vor die Tore Khartums marschiert. Die Regierungstruppen konnten den Vorstoß zurückschlagen. Doch die Rebellen kündigten an, erneut anzugreifen – solange, bis die Regierung gestürzt sei.

Sudans brutales Vorgehen in Darfur hat zehntausende Menschen ins Nachbarland Tschad fliehen lassen. Dort versucht eine EU-Friedenstruppe – darunter 160 Österreicher – ein sicheres Umfeld für die Flüchtlinge zu schaffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2008)

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