Irak: Barack Obamas neuer Krieg?

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Nach langem Zögern und schweren Fehleinschätzungen sagt US-Präsident Obama den Extremisten der IS den Krieg. Ob es bei Luftschlägen bleibt, ist angesichts der Beispiele Bosnien und Libyen fraglich.

Washington. Knapp vor 14:30 Uhr mitteleuropäischer Zeit verkündete der Pressesprecher des Pentagons am Freitag mittels Twittermeldung die ersten militärischen Angriffe auf irakischem Boden seit mehr als zweieinhalb Jahren. Zwei F/A-18-Kampfflieger der US-Marine hätten gegen 12:45 Uhr mehrere lasergesteuerte Bomben auf ein Artilleriegeschütz der Terroristen des „Islamischen Staates“ (IS) abgeworfen.

In der Nacht auf Freitag hatte Präsident Barack Obama grünes Licht für Militärschläge gegen die Mörderbanden des IS gegeben. Grund dafür sei die akute Lebensgefahr von rund 10.000 Angehörigen der yezidischen Glaubensgemeinschaft, die vor IS auf den Berg Sinjar im Nordirak geflüchtet sind und unter freiem Himmel und in glühender Hitze ausharren.  „Wir können vorsichtig und verantwortlich handeln, um einen möglichen Völkermord zu verhindern“, sagte er in einer Ansprache. US-Transportflugzeuge warfen zudem Wasser und Lebensmittel für die yezidischen Flüchtlinge ab.

Obama und die „Hobbytruppe IS“

Somit betritt Obama jenen Kriegsschauplatz, welcher der gewichtigste Grund für seinen rasanten politischen Aufstieg vom erstmaligen Senator ohne Regierungserfahrung zum Präsidenten der Vereinigten Staaten war. Der im Jahr 2003 begonnene Irakkrieg sei ein „dummer Krieg“, lautete seine Parole während der Kampagne für die Präsidentschaftswahl 2008. Amerika könne nicht mehr überall auf der Welt eingreifen, wo Schlimmes passiert, sagte Obama in einer viel beachteten Wahlkampfrede im Juli 2007 in New Hampshire: „Sonst hätten wir jetzt 300.000 Soldaten im Kongo, wo Millionen von Menschen als Folge völkischer Unruhen geschlachtet worden sind.“

Fast auf den Tag genau sieben Jahre nach dieser Erklärung muss der Präsident einsehen, dass die Frage, wann US-Soldaten das Leben fremder Völker zu verteidigen haben, nicht so einfach zu beantworten ist, wie er es als Senator zu glauben gemacht hat.

Zu lange hat Obama die Gefahr, welche IS für den Irak darstellt, unterschätzt. Noch heuer im Jänner kommentierte er die Einnahme der irakischen Stadt Fallujah in einem Interview mit dem „New Yorker“-Magazin so: „Wenn eine Hobbytruppe Lakers-Dressen anzieht, macht sie das noch lange nicht zu Kobe Bryant.“ (Die L.A. Lakers sind eines der besten Basketballteams aller Zeiten, Kobe Bryant ist ihr Star). Der Präsident wollte damit zu verstehen geben, dass die Extremisten zwar schlimm, aber noch lange nicht so schlimm wie Osama bin Ladens al-Qaida sei. Das war ein schwerer Irrtum. „Obwohl Obama Probleme damit zu haben scheint, das zu verstehen, gibt es Zeiten, wo es nicht dienlich ist, zuzuschauen und zu warten“, kritisierte Anthony Cordesman, ein Sicherheitsanalyst am Center for Strategic and International Studies in Washington.

Starke Stimmen für Interventionismus

Dabei hat Obama zwei starke Fürsprecherinnen des humanitären Interventionismus: UN-Botschafterin Samantha Power und Susan Rice, die Beraterin für Nationale Sicherheit. Power war Kriegsreporterin auf dem Balkan, Rice plagt das schlechte Gewissen, als Afrikaexpertin unter Bill Clintons Präsidentschaft gegen eine Intervention in Ruanda argumentiert zu haben.

Ob es bei den Luftschlägen bleibt, ist fraglich. Obama betonte zwar, dass es ihm nur um den Schutz von US-Diplomaten und Militärberatern und die Abwendung unmittelbarer Angriffe des IS gehe. Doch die Erinnerung an die Nato-Luftangriffe auf die Truppen des libyschen Diktators Muammar al-Gadhafi im März 2011 offenbart, dass man bedrohte Menschengruppen nur kurzfristig mit ein paar Bomben schützen kann. Selbiges gilt mit Abstrichen im Rückblick auf den Bosnienkrieg 1995: jahrelange Drohungen verhallten bei den bosnischen Serben. Erst wochenlange schwere Bombardements und die Stationierung einer großen Schutztruppe beendeten den Bürgerkrieg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2014)

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