Venezuela: Interpol stellt Hugo Chávez an den Pranger

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Computerdateien belegen die umfangreiche Unterstützung Venezuelas für linksextreme Farc-Guerilla.

wien/BOGOTÁ. Kolumbiens Regierung versetzt der linksextremen Farc-Guerilla einen schweren Schlag nach dem anderen: Unlängst ergab sich die 40 Jahre alte Nelly Avila Moreno den Behörden. „Karina“, so ihr nom de guerre, war bis vor zwei Jahren Kommandantin einer wichtigen Einheit der Guerilla, für die sie schon als 16-Jährige zu kämpfen begann. Seit Anfang März hat die siebenköpfige Farc-Führung damit bereits drei hochrangige Mitglieder verloren.

Der Kampf gegen die Farc beschert Kolumbiens Präsident Alvaro Uribe aber auch Probleme – und zwar mit dem südamerikanischen Hitzkopf Hugo Chávez. Venezuelas linkspopulistischer Präsident hat zwar schon die Freilassung einiger Geiseln, die jahrelang von der Farc im Dschungel festgehalten wurden, erreicht. Gleichzeitig unterstützt er die laut Eigendefinition marxistische Truppe, die im Drogenhandel mitmischt, aber auch kräftig. Dies geht aus den Computern von Raul Reyes hervor, der Nummer zwei der Farc, den kolumbianische Soldaten Anfang März auf ecuadorianischem Gebiet getötet hatten.

Raketen für die Rebellen

64 Spezialisten von Interpol untersuchten 37.872 Textdokumente, 452 Tabellen sowie 210.888 Bilder und kamen zu dem Schluss, dass es sich um Originaldokumente handelt, deren für Chávez höchst unangenehmer Inhalt nicht von Kolumbiens Behörden manipuliert wurde. Da ist etwa acht Mal die Rede davon, dass Chávez den – von der EU als Terrororganisation eingestuften – Farc-Rebellen 300 Millionen Dollar Unterstützung zugesagt hat. Hohe venezolanische Funktionäre boten der Guerilla an, bei der Beschaffung von Boden-Luft-Raketen zu helfen, über die sie bisher nicht verfügt.

Aufgrund der Computerdateien wurden bereits Gelder der Guerilla in Costa Rica sowie 30 Kilogramm nicht angereichertes Uran nahe Bogotá sichergestellt. Und die Farc dürften vor zwei Jahren 100.000 Dollar für den Wahlkampf von Ecuadors Präsident Rafael Correa gespendet haben.

Das macht gar kein gutes Bild, und entsprechend aggressiv reagierte Chávez auf den von Interpol veröffentlichten Bericht. Der Generalsekretär von Interpol sei ein „Gringo-Polizist“ und Präsident Uribe in Wirklichkeit „verzweifelt“. Außerdem sind laut Chávez 60 kolumbianische Soldaten nach Venezuela eingedrungen, wo sie gestellt worden seien. Bogotá weist diese Behauptung zurück.

Wie reagiert Lateinamerika?

Wegen des kolumbianischen Angriffs auf Raul Reyes, bei dem die Souveränität Ecuadors verletzt wurde, hatten Correa und Chávez im März eine Resolution der Organisation Amerikanischer Staaten gegen Kolumbien erreicht. Chávez ließ damals sogar Panzer an die Grenze zu Kolumbien rollen.

Obwohl Chávez und Correa angepatzt sind, muss Kolumbiens Präsident Uribe darauf achten, ja keinen Fehler zu begehen. Offen ist noch die Frage, wie sich die anderen lateinamerikanischen Länder dazu stellen, dass Venezuela und offenbar auch Ecuador eine Rebellengruppe unterstützen, die den Sturz einer demokratisch gewählten Regierung anstrebt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2008)

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