Pekings Schlag gegen die Demokratie

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Der Volkskongress erteilte den Forderungen nach mehr Demokratie in Hongkong eine Absage. Demokratie-Aktivisten rufen zum zivilen Ungehorsam in der Finanzmetropole auf.

Peking. Die Enttäuschung ist den Aktivisten deutlich anzusehen. Mit gesenktem Blick traten sie am Sonntagabend vor die Kameras. Von einem „schweren Schlag für den Grundsatz ,Ein Land, zwei Systeme‘“ spricht der Demokratie-Aktivist Benny Tai betrübt. Alle Möglichkeiten des Dialogs mit Peking seien erschöpft, sagt er. Daher bleibe nun nur noch eins: der Protest auf der Straße.

Nach einwöchiger Beratung hat die Führung in Peking bekannt gegeben, dass sie auch weiterhin über die Auswahl der Kandidaten für das Amt des Verwaltungs- und Regierungschefs in der Sonderwirtschaftszone Hongkong entscheiden werde. Alle Bewerber müssten von „mehr als der Hälfte der Mitglieder eines umfassend repräsentativen Nominierungskomitees“ unterstützt werden, beschloss der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses, Chinas Scheinparlament, das unmittelbar der Führung untersteht.

Pekingtreue Kandidaten

Konkret wird dies im zweiten Satz der Erklärung: „Der Verwaltungschef muss eine Person sein, die das Land und Hongkong liebt.“ Sprich: Jeder Kandidat muss der Führung in Peking treu ergeben sein. Zudem dürfen maximal drei Kandidaten aufgestellt werden. Der Opposition in Hongkong wird damit keine Chance eingeräumt, einen eigenen Kandidaten aufzustellen.

Obwohl sich abgezeichnet hat, dass die chinesische Führung eine harte Haltung einnehmen würde, haben die Hongkonger Aktivisten gehofft, dass Peking auf ihre Forderungen nach mehr Demokratie doch noch eingeht. Denn Hongkong ist nicht wie der Rest des Landes. Die ehemalige britische Kronkolonie genießt seit ihrer Rückgabe an die Volksrepublik vor 17 Jahren einen Sonderstatus mit Meinungs- und Versammlungsfreiheit und einem eigenen Rechtssystem. Nicht zuletzt diesen Bürgerrechten hat Hongkong seinen Wohlstand und den Aufstieg zu Asiens führender Finanzmetropole zu verdanken.

Hinzu kommt, dass von der Führung in Peking bis zu Beginn des Jahres durchaus noch andere Töne zu vernehmen waren. Im Prinzip hatte sie den Hongkongern bereits fest zugesagt, dass sie ab 2017 ihren Verwaltungs- und Regierungschef in einer freien Direktwahl erstmals selbst bestimmen dürften. Doch mit dem jüngsten Beschluss entpuppt sich diese Zusage als Farce. Der Pekinger Sonderbeauftragte, Li Fei, begründete die Absage an freie Wahlen damit, dass eine offene Nominierung von Kandidaten eine „chaotische Gesellschaft“ geschaffen und den Wohlstand und die Stabilität der Stadt gefährdet hätte. „Viele Hongkonger haben viel Zeit damit verschwendet, Dinge zu diskutieren, die nicht angemessen sind“, sagte der KP-Vertreter.

Occupy-Bewegung

Vor dem Grand-Hyatt-Hotel, dem Ort der Pressekonferenz, marschierten währenddessen mehrere tausend Demonstranten auf. Sie waren dem Aufruf der prodemokratischen Gruppe Occupy Central unter anderem um Benny Tai gefolgt, die damit drohte, nach dem Vorbild der Occupy-Bewegung in den USA das Hongkonger Regierungs- und Bankenviertel zu besetzen. In einer schriftlichen Erklärung bedauerte Occupy Central die „undemokratische Entscheidung“ zutiefst. Eine echte allgemeine Wahl umfasst das Recht, zu wählen und gewählt zu werden, heißt es darin. Aktivist Benny Tai rief zu einer „Ära des zivilen Ungehorsams“ auf.

Der wollen sich auch Aktivisten in Hongkongs Nachbarstadt Macao anschließen. Auch dort kam es am Sonntag zu Protesten. In der ehemaligen portugiesischen Kolonie, die 1999 an die Volksrepublik zurückgefallen war, stimmten die Bürger in einem Referendum vor zwei Wochen mit großer Mehrheit ebenfalls dafür, dass ihr Regierungschef in einer allgemeinen Wahl festgelegt wird. Peking erkannte die Abstimmung nicht an und kürte stattdessen den bisherigen KP-treuen Amtsinhaber, Fernando Chui, für eine weitere fünfjährige Amtszeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2014)

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