Beschlossen: Ostukraine erhält Sonderstatus

Ukraine´s President Petro Poroshenko signs a landmark association agreement with the European Union during a session of the parliament in Kiev
Ukraine´s President Petro Poroshenko signs a landmark association agreement with the European Union during a session of the parliament in Kiev(c) REUTERS (VALENTYN OGIRENKO)
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Zudem ratifizierten das ukrainische und das EU-Parlament das Assoziierungsabkommen. Von einem "historischen Moment" war die Rede.

Im Ringen um Frieden in der Ostukraine hat das Parlament in Kiew ein Gesetz über den Sonderstatus der Konfliktregion sowie eine Amnestie für die Separatisten beschlossen. Damit sollen die Selbstverwaltungsrechte der Regionen Donezk und Luhansk gestärkt werden, teilte Präsident Petro Poroschenko am Dienstag mit.

Der prowestliche Staatschef hatte das Gesetz erst am Vormittag in der Obersten Rada eingebracht. Demnach sollen die Beteiligten an den bewaffneten Kämpfen straffrei bleiben. Nur besonders schwere Verbrechen sollen geahndet werden.

Das Gesetz über den Sonderstatus gilt für drei Jahre. Es verbrieft etwa das Recht auf die eigene Sprache für die russischsprachige Bevölkerung in den Regionen Donezk und Luhansk. Zudem soll die Selbstverwaltung eigener Gebiete gestärkt werden. Demnach ist auch eine enge Kooperationen mit angrenzenden russischen Gebieten geplant.

Das Gesetz gesteht den Regionen außerdem eigene Wahlen und die Gründung einer eigenen Volksmiliz in den bisher von prorussischen Separatisten kontrollierten Regionen zu. Die ersten Kommunalwahlen sollen am 7. Dezember stattfinden.

Im Gegenzug sollen die Aufständischen in den nicht anerkannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk auf ihre Forderung nach Unabhängigkeit verzichten. Einige Politiker in Kiew sehen in dem Gesetz die Gefahr einer schleichenden Abspaltung der Ostukraine. Die Separatisten äußerten sich skeptisch. Wenn das Gesetz aber eine Unabhängigkeit der Region Donbass bedeute, würde er es begrüßen, sagte Separatistenführer Alexander Sachartschenko am Dienstag nach Angaben der Agentur Interfax.

"Ein historischer Moment"

Der Beschluss erfolgte kurz vor der symbolischen gleichzeitigen Ratifizierung des EU-Ukraine-Assoziierungsabkommens. Das Europaparlament hat dieses schließlich mit breiter Mehrheit ratifiziert. Für das Abkommen stimmten am Montag in Straßburg 535 Abgeordnete, 127 votierten dagegen, 35 enthielten sich. Die Umsetzung des Freihandelspakets in diesem Abkommen soll nach Gesprächen mit Russland erst ab 2016 in Kraft treten.

"Wir erleben einen historischen Moment", sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Das EU-Parlament organisierte eine Liveschaltung mit dem ukrainischen Parlament, welches zeitgleich das Abkommen ratifizierte. Dies sei ein einmaliger Vorgang in der Geschichte. Das EU-Parlament habe die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine immer verteidigt, "und wir werden das weiterhin tun", sagte Schulz.

"Wir haben nicht das Recht, länger zu warten"

Der ukrainische Präsident Poroschenko sagte: "Die Ukrainer haben gegen Janukowitsch gestimmt und gegen die Ausrichtung nach Osten." Ohne die Ukraine gebe es kein geeintes Europa. Der Text des Abkommens sei unverändert geblieben. Poroschenko sagte, er fordere die ukrainische Regierung auf, dieses Abkommen am morgigen Mittwoch in Kraft treten zu lassen. "Wir haben nicht das Recht, noch länger zu warten", sagte der ukrainische Präsident. Nach Ende 2015 könnten europäische Produkte in den ukrainischen Markt kommen.

Vor dem Beschluss war im EU-Parlament scharfe Kritik an Russland geübt worden. Moskau müsse endlich zeigen, dass sie zu ihren Verpflichtungen stehe, sagte EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle am Dienstag vor dem Plenum in Straßburg. Dazu gehöre, dass Moskau das Völkerrecht und die territoriale Souveränität seiner Nachbarn achte. Russland habe bisher seine Zusagen bisher nicht eingehalten, kritisierte auch der CDU-Abgeordnete Elmar Brok. Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion, Gianni Pitella, warnte vor einem neuen Kalten Krieg in Europa. Gewalt und Sanktionen seien an die Stelle des Dialogs getreten, kritisierte der Italiener.

Eigentlich sollte das Abkommen bereits Ende vergangenen Jahres unterzeichnet werden, der damalige Staatschef Viktor Janukowitsch stoppte den Prozess aber und wandte sich stattdessen Russland zu. In der Folge gab es schwere Proteste, die in den aktuellen Konflikt mündeten. Auf Ende 2015 verschoben wird die Umsetzung eines von Russland kritisierten Freihandelsabkommens. Damit ging Brüssel auf russische Bedenken ein.

Einige EU-Abgeordnete vor allem aus osteuropäischen Ländern kritisierten den Aufschub. Die Grüne Fraktionschefin Rebecca Harms äußerte die Befürchtung, dass der Text bis dahin abgeschwächt werden könnte. Füle wies diese Kritik zurück. Den Aufschub habe die Ukraine beantragt, weil sie wegen des Konflikts in der Ostukraine mehr Zeit benötige, etwa um sich auf die neuen Zolltarife vorzubereiten.

Zivilisten bei neuen Gefechten getötet

Bei neuen Gefechten in der ostukrainischen Rebellenhochburg Donezk und ihrer Umgebung wurden indes vier weitere Zivilisten getötet. Wie lokale Behörden am Dienstag angaben, wurden zudem mehrere weitere Menschen verletzt. Bereits am Sonntag waren sechs Zivilisten getötet worden. Die ukrainische Armee und die Separatisten liefern sich seit dem Wochenende wieder neue Gefechte um den Flughafen von Donezk.

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