Umfrage: Immer mehr Iren gegen EU-Vertrag

(c) EPA (Cathal Mcnaughton/pa)
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Eine neue Umfrage sieht in Irland die Vertragsgegner voran. Ein Experte warnt vor ernsten Konsequenzen.

Bisher schienen die Befürworter des EU-Vertrags in Irland klar in Führung. Doch eine Woche vor dem entscheidenden Referendum hat sich nach einer neuen Umfrage der „Irish Times“ die Stimmung gedreht. Demnach wollen derzeit 35 Prozent mit „Nein“ und nur noch 30 Prozent mit „Ja“ stimmen. Der Rest ist unentschlossen.

Sagen die Iren tatsächlich Nein, dann hieße das auch für die 26 anderen Mitgliedstaaten „Bitte warten“. Denn der Vertrag über die EU-Reform kann erst in Kraft treten, wenn ihm alle Länder zugestimmt haben. Allerdings droht nicht nur eine Verzögerung für die europäische Integration. Die Iren könnten sich damit sogar selbst vor die Tore Europas befördern, glaubt der Chefpolitologe der Brüsseler Denkfabrik „European Policy Centre“ (EPC), Antonio Missiroli, im Gespräch mit der „Presse“.ss-18;0 Die anderen 26 Länder würden sich die mühsam verhandelte Reform nicht nehmen lassen.


Bei einem Nein der Iren wären drei Szenarien möglich, glaubt Missiroli:
► Zweites Referendum Ende des Jahres: Sagen die Iren am 12. Juni Nein, könnte ihnen die irische Regierung Ende des Jahres eine Neufassung zu einer neuerlichen Abstimmung vorlegen. Freilich nicht mit neuen Inhalten, denn der Text ist unter den 27 EU-Regierungen akkordiert. Die irische Regierung unter dem neuen Premier Brian Cowen könnte sich aber um Zusätze oder Ausnahmen bemühen, welche die Bevölkerung bewegen sollten, doch noch mit Ja zu stimmen.
Daran, dass es in Bereichen wie Justiz und Inneres oder Energie künftig keine Vetomöglichkeit mehr für einzelne Staaten gibt, wird aber nicht zu rütteln sein. Stimmen die Iren in einem zweiten Anlauf dennoch zu, könnte der EU-Vertrag mit geringer Verzögerung zum Beispiel Mitte oder Ende 2009 in Kraft treten.

► Ausschluss bei einem zweiten Nein: Sagen die Iren aber selbst bei einem nachgebesserten Vertrag Nein, wäre dies sicher der letzte Anlauf für ein Referendum. Eine dritte Vorlage gilt unter Experten als ausgeschlossen. Wahrscheinlicher ist laut Missiroli, dass die anderen 26 Mitglieder Irland zu einem Austritt aus der EU bewegen würden. Denn Dublin stünde der Institutionenreform im Weg. sSchwierig wird ein Ausschluss aber dadurch, dass Irland der Eurozone angehört. Es wäre nur schwer denkbar, dass die Insel zwar nicht mehr zur EU gehört, aber weiterhin den Euro verwendet. Eher vorstellbar wäre, dass Irland in der Wirtschafts- und Währungsunion, einem von mehreren Teilen der EU, bleibt, sonst aber aussteigt – eine juristisch sehr komplizierte Lösung, auf die alle 27 Staaten kaum einschwenken dürften. Einem Austritt der Iren steht auch die besonders gute Meinung entgegen, die diese von der EU haben: Die Iren zählen – abseits des EU-Vertrags – zu den größten Befürwortern der Union, von der sie seit ihrem Beitritt 1973 wirtschaftlich stark profitiert haben.


► Endstation „Kerneuropa“: Statt zu einem Ausstieg der Iren könnte es zu einem „Kerneuropa“ aus anderen Mitgliedern wie Frankreich, Deutschland oder den Niederlanden kommen: Der bisherige Vertrag von Nizza würde in Kraft bleiben, die EU also weiterhin nach den Regeln funktionieren, die schon vor ihrer Erweiterung um zwölf Staaten seit 2004 galten. Die Ehrgeizigeren der 27 Staaten könnten sich aber – auch ohne neuen Vertrag – freiwillig zu einer engeren Zusammenarbeit in einzelnen Bereichen zusammentun.

Für die EU-Spitzenpolitiker ist das keine gute Aussicht: Europa solle geeint voranschreiten, so der Tenor. Kommissionspräsident José Barroso pocht darauf, dass es ein Ja der Iren brauche, um die EU-Institutionen handlungsfähig zu halten. Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik gibt sich optimistisch: Sie rechnet schon am 12. Juni, beim ersten Anlauf, mit „Rückenwind für Europa“ aus Irland.

UMFRAGE

Eine neue Umfrage der „Irish Times“ lässt einen knappen Ausgang erwarten. Demnach sind derzeit 35 Prozent der Iren gegen den EU-Vertrag und 30 Prozent dafür. 35 Prozent sind unentschlossen, wie sie am kommenden Donnerstag abstimmen sollen.

(APA/Red. )

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