Energiepolitik: „Ohne Gas aus Iran ist Nabucco tot“

Studie zeigt: Die EU vertraut bei ihrem Pipeline-Plan auf vage Versprechungen.

Wien(gau). Russlands Premier Wladimir Putin ist ein Meister der Schadenfreude. Als er im Februar seine Pipeline „South Stream“ auf Schiene brachte, spottete er über das EU-Projekt „Nabucco“: „Wenn jemand in den Boden bohren und Metall vergraben will, soll er es ruhig tun. Es gibt keine Konkurrenz zwischen einem Projekt, das Gas hat, und einem, das keines hat.“

Alles nur Großmacht-Polemik? Gerhard Mangott, Professor für Politikwissenschaft an der Uni Innsbruck, kommt in seiner aktuellen Studie zu einem ähnlichen Schluss: Nabucco fehlt das Gas.

Auf die Pipeline, die bis 2013 fertig sein soll, setzt die EU große Stücke. Sie soll Gasreserven am Kaspischen Meer anzapfen und die Abhängigkeit von Russland lindern. Doch folgt man Mangotts Studie, basiert das Projekt auf dem Prinzip Hoffnung. Denn die zentralasiatischen Diktatoren am anderen Ende des Rohrs sind auch nicht gerade die vertrauenswürdigsten Partner.

Turkmenen als unsichere Partner

30 Mrd. Kubikmeter Gas müssen jährlich durch Nabucco strömen, damit sich das Projekt rechnet – eine kleine Menge im Vergleich zum EU-Bedarf von mehr als 500 Mrd. Doch auch sie werde schwer aufzutreiben sein, meint Mangott. Aus Aserbaidschan seien nicht mehr als zehn Mrd. m zu erwarten, die usbekischen Reserven gehen bereits zur Neige.

Bleibt Turkmenistan, der autoritärste und politisch isolierteste Staat der Region. Er lässt keine unabhängigen Prüfer ins Land, die seine Reserven schätzen könnten. 22 Billionen m sollen es sein, sagen Politiker vollmundig, BP vermutet nur ein Zehntel davon. Die Russland, China und dem Iran bis 2010 versprochenen Liefermengen sind laut Mangott doppelt so hoch wie die aktuelle Produktion. Damit sei auch die jüngste, von EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner als „Durchbruch“ gefeierte Liefervereinbarung über 10 Mrd. m mit Vorsicht zu genießen.

Zumal auch der Anschluss an Nabucco offen ist. Er müsste durch das Kaspische Meer führen, was wiederum dem Anrainerstaat Iran nicht passt. Der will lieber sein eigenes Gas verkaufen. Seine gewaltigen Reserven sind unbestritten, doch Verträge mit den Mullahs bleiben für die EU ein Tabu. Mangotts Fazit: „Nabucco kann nur überleben, wenn die EU einlenkt und die Pipeline-Rohre mit Gas aus dem Iran füllt.“

APA

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2008)

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