Berlusconis Kampf gegen Justiz geht in nächste Runde

(c) EPA (Danilo Schiavella)
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Der italienische Premierminister und Medienzar verfällt in alte Gewohnheiten: Er will sich wieder einmal einen Prozess ersparen.

ROM. Der Kampf gegen „kriminelle Ausländer“, die Patrouillen von Soldaten durch Italiens Großstädte, das entschlossene Vorgehen in der neapolitanischen Müllkrise – Silvio Berlusconis Beliebtheit in Italien steigt von Tag zu Tag. 59 Prozent der Bürger sprechen dem Premier heute ihr Vertrauen aus; 55 Prozent Zustimmung genießt die Regierung als ganze.

In sein Sicherheitspaket hat Berlusconi aber auch eine Bestimmung in eigener Sache geschmuggelt: Gerichtsverfahren für leichtere und mittelschwere Straftaten, die vor 2002 begangen worden sind, sollen für ein Jahr eingefroren werden. Die Justiz soll, so die unverfängliche Begründung, frei werden für die Ahndung wirklich „sicherheitsrelevanter“ Verbrechen, die „gesellschaftlichen Alarm“ auslösen: für Mafia, für Terror, für Morde und so weiter.

Verfahren wegen Bestechung

Italiens Kommentatoren weisen nun daraufhin, dass eine von Berlusconi geführte Regierung damit – wieder einmal – auf die Verfolgung von Wirtschaftsstraftaten, von Korruption und anderen weit verbreiteten Delikten verzichte; dass die dazugehörigen Verfahren, einmal unterbrochen, nur schwer wieder ins Rollen kämen und dass sie in vielen Fällen wohl von der Verjährung überholt würden.

Vor allem aber rettet Berlusconi seine eigene Haut: In Mailand geht gerade ein Prozess in die Endrunde, in dem ihm ein Schuldspruch wegen Bestechung droht. Beim britischen Anwalt David Mills soll sich der damalige Fernsehunternehmer Berlusconi 1998 einige Falschaussagen erkauft haben, um in einer Korruptionsaffäre seines Mediaset-Konzerns nicht verurteilt zu werden.

Dass Berlusconi den lästigen Mailänder Prozess nicht nur unterbrechen, sondern ihn zur Gänze loswerden will, hat er in einem Brief ans Parlament bestätigt: Darin fühlt er sich von den „fantasiereichen Staatsanwälten der extremen Linken unglaublicherweise angeklagt“.

Berlusconi verlangt eine „zivilisierte Justiz“ und kündigt ein Gesetz an, das hohe Politiker für die Dauer ihrer Amtszeit vor Prozessen schützt. Mit seinem ersten Versuch dieser Art war er 2004 am Verfassungsgericht gescheitert. Jetzt kehrt er zu Gesetzen in eigener Sache zurück. „Er, der nach dem Wahlsieg im April so staatstragend, so verändert seriös aufgetreten war, lässt nun die Maske fallen“, urteilen die Kommentatoren.

Die erste parlamentarische Hürde hat Berlusconis Vorstoß am Mittwoch genommen. Im Senat stimmten die eigenen Leute für die Unterbrechung der Prozesse; die Opposition, die keine Chance auf Verhinderung hatte, verließ vor der Abstimmung den Saal.

Vor allem aber Präsident Giorgio Napolitano fühlt sich hereingelegt: Dem ersten, dem akuten Sicherheitsdekret im Mai hatte er im Eilverfahren zugestimmt – eine Unterbrechung der Prozesse aber hatte er ausdrücklich verboten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2008)

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