Iran: Endphase im Poker um die Bombe

(c) EPA (Andrew Medichini)
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Der Streit um das Atomprogramm der Mullahs steuert auf eine militärische Konfrontation zu. Israel übt seit längerem Luftangriffe gegen Atomanlagen. Fragen und Antworten zur Atom-Krise.

Das Urteil lautet Tod: Diese Strafe fasste Montag im Iran der Unternehmer Ali Ashtari aus. Der 43-jährige Iraner, der für eine Firma tätig war, die Kommunikationsgeräte an die Regierung liefert, soll für Israel spioniert haben. Der Spruch steht vor dem Hintergrund massiv wachsender Spannungen zwischen Teheran und dem Westen, vor allem aber Israel, wegen des Atomprogramms des Gottesstaates; daran hält Iran trotz UN-Sanktionen fest.

Viele fürchten, die Mullahs wollten mit dem angeblich rein zivilen Programm Atomwaffen bauen. Die Rufe aus Jerusalem, das verhindern zu wollen, wurden jüngst durch ein Manöver unterstrichen, bei dem Flieger die Zerstörung iranischer Atomanlagen übten. Ein Ex-Chef des Auslandsgeheimdienstes Mossad meinte, das müsste binnen eines Jahres passieren: Sonst könnte der Iran mit A-Bomben angreifen. Gerüchte sprechen von einem Angriff vor der Präsidentenwahl in den USA, andere von einem zwischen der Wahl und der Inauguration des neuen Präsidenten.

US-Enthüllungsjournalist Seymour Hersh schrieb nun, die US-Regierung habe 400 Mio. Dollar losgeeist, um Irans Regime zu destabilisieren. So solle die CIA Widerstandsgruppen und anti-iranische Stämme in Pakistan unterstützen. Und: Die CIA solle stärker im Iran zuschlagen. Dazu zählten Tötungen hoher Funktionäre. Wie zum Trotz ließ der iranische General Mir-Faisal Bagherzadeh ausrichten, bei einem Angriff würde man die Straße von Hormuz sperren, durch die 40% des weltweiten Öls verschifft werden. Und an den Grenzen hebe man derzeit 320.000 Gräber aus – für fremde Soldaten.

Wie ist der Stand des Atomstreits? Wird Israel angreifen? Im Folgenden ein paar Antworten zu brisanten Fragen.

1Um was geht es eigentlich noch einmal bei diesem Atomstreit?2002 flog auf, dass es im Iran seit den 80ern ein verzweigtes Atomprogramm gibt, das der Internationalen Atomenergieagentur IAEA verheimlicht wurde.Sofort argwöhnten vor allem die USA und Israel, der Iran wolle die Bombe. Teheran sagt, das Programm sei zivil, man habe es ob der US-Sanktionen heimlich bauen müssen. Seither bemüht sich die IAEA um Aufklärung. Immerhin wurden Anlagen besucht und Überwachungssysteme installiert. Teheran ignorierte drei Resolutionen des Sicherheitsrats, das Programm zu stoppen.

2Was für bekannte Nuklearanlagen betreibt der Iran derzeit?Herz ist die Urananreicherungsanlage Natanz mit mehr als 3000 Uranzentrifugen. Damit kann man Uran konzentrieren, damit es für Brennstäbe, aber auch Bomben taugt. Die Zentrifugen könnten heuer Material für eine Bombe herstellen, und man baut bessere. In Arak entsteht ein Schwerwasser-Reaktor, bei dem atomwaffenfähiges Plutonium anfiele. In Isfahan und und anderen Orten sind Forschungsreaktorenbzw. Labors.

3Was sind aktuell die brisantesten Punkte, denen die IAEA nachgeht?(1) Die Quelle der Spuren waffentauglichen Urans in Labors. (2) Ein Papier, das beschreibt, wie man Uran zu Hohlkugeln formt, wie man sie für Atombomben braucht. Woher kam es? Was will Iran damit? (3) Wozu werkten iranische Forscher an komplexen hemisphärischen, extrem schnellen Mehrfachzündern – und was soll die Skizze, bei der sich ein Zünder in einem 400 Meter tiefen Schacht zehn Kilometer vom Auslöser entfernt befindet? Beides riecht nach A-Bomben-Test. (4) Wieso steht im Lebenslauf eines iranischen Physikers, er habe sich mit Gleichungen zur Ausbreitung von Atomexplosionen befasst? (5) Was ist von Berichten zu halten, wonach Iran die Köpfe der ballistischen „Shahab-3“-Rakete so modifiziere, dass kleine A-Bomben Platz hätten?

Irans Atombehörde hatte im Jänner versprochen, alle offenen Fragen binnen eines Monats zu beantworten. Passiert ist wenig. Iran behauptet, Basis der Vorwürfe seien meist „von fremden Mächten“ gefälschte Dokumente; die übrigen zeigten zivile bzw. konventionell-militärische Projekte.

4Was für Sanktionen hat der Sicherheitsrat bisher verhängt?Seit 2006 gab es drei Resolutionen. Dadurch sind Geschäfte mit Waffen und bestimmten nukleartechnischen Geräten/Stoffen mit dem Iran verboten; über viele Militärs, Funktionäre und Wissenschaftler wurden Reiseverbote verhängt; Vermögen von Firmen und Privaten wurden eingefroren. Die EU sperrte jüngst die Konten der Europa-Filialen der „Bank Melli“. Die Sanktionen sollen fallen, wenn der Iran die Urananreicherung stoppt; als Lockmittel schnürten EU und UN-Vetomächte ein Paket mit wirtschaftlich-politischen Anreizen (etwa Aufnahme Irans in WTO, Handel mit Flugzeug-Ersatzteilen, Zugang zum Welt-Finanzmarkt). Teheran schaltet aber auf stur.

5Würde Israel Iran angreifen können? Und was wäre der Effekt?Hin- und Rückflug (mind. 3000 km) können die F-15 und F-16-Jagdbomber durch Luftbetankung bewältigen. Gegen verbunkerte Ziele hat Israel besondere Munition bzw. ist dabei, sie in den USA zu besorgen. Freilich wäre ein Angriff ein Hasardspiel: (1) Irans Frühwarnsysteme dürften den Anflug sehen – zumindest, weil Luftbetankung in tiefen Flughöhen unterhalb des Radars kaum geht. (2) Irans Luftabwehr ist stark, hat moderne russische Systeme. (3) Die Jets müssen über Drittstaaten fliegen, womit sie kaum unentdeckt blieben; über Syrien würden sie sicher beschossen, wohl auch über Jordanien und Saudiarabien; dann entfällt der Überraschungseffekt. Bliebe die Route über die Türkei – ein Freund der Israelis. (4) Es ist unwahrscheinlich, dass alle Ziele getroffen werden; vermutlich würde sich Israel auf Natanz und wenige andere Anlagen beschränken. Das A-Programm ist aber so nicht zu beseitigen. (5) Der Iran könnte mit der Anfachung des Bürgerkriegs im Irak, durch Unterstützung von Terrorgruppen wie der Hisbollah und dem Raketenbeschuss Israels antworten. Oder schlicht die Straße von Hormuz sperren: Dann wäre der heute als so hoch beklagte Ölpreis nur noch ein Schnäppchen. Meinung Seite 39

HINTERGRUND

Israel zerstörte 1981 den Atomreaktor Osirak im Irak. 14 Jets flogen sehr tief, und so eng zusammen, dass sie im Radar als Verkehrsflugzeug wirkten. Für die Distanz war indes keine Luftbetankung nötig. [IDF]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2008)

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