Finnland: Zähneklappern vor der Stasi-Liste

(c) AP (Eckehard Schulz)
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Gericht: Frühere Spitzel des DDR-Geheim-ienstes sollen enttarnt werden.

HELSINKI. Es war etwa ein Jahr nach dem Fall der Berliner Mauer, als der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) seinen finnischen Kollegen eine Liste zuspielte. Inhalt: Zwei Dutzend Namen finnischer Bürger, die angeblich im Kalten Krieg ungebührlich engen Kontakt zur Staatssicherheit der DDR gepflegt hatten.

Seither wird die Liste gut verwahrt, und jeder rätselt, wer darauf steht. Nun könnte die Antwort kommen: Das Verwaltungsgericht in Helsinki hat überraschend die Geheimpolizei „Supo“ beauftragt, das Papier herauszurücken. Ein Journalist hatte Akteneinsicht beantragt und gegen den Negativbescheid der Supo geklagt. Überraschend ist der Entscheid, weil das Gericht vor fünf Jahren zum gegenteiligen Schluss kam: Da hieß es, dass die Veröffentlichung Finnlands „Beziehungen zu einem fremden Staat belasten“ könnte.

Rücksicht auf die Deutschen

Das sieht man nun anders: Bei dem „fremden Staat“ geht es nämlich weniger um die vor fünf Jahren inexistente DDR, sondern um Deutschland – und heute, so lange nach der Wiedervereinigung, sei es nicht mehr gangbar, aus Rücksicht auf Berlin oder Gründen des Personenschutzes das Geheimnis zu wahren. Auch die, die 1990 das Papier wegsperren ließen, änderten ihre Ansicht: Der damalige Präsident Koivisto sagte, dass die Spekulationen um die Papiere mehr Schaden anrichteten als deren Herausgabe, und Seppo Tiitinen, der Ex-Supo-Chef, nach dem Finnlands Medien die Liste tauften, hat keinen Einwand.

Der einzige, dessen Namen publik wurde, war Ex-Präsidentenberater Alpo Rusi, der sich in einem Prozess gegen den Stempel „DDR-Spion“ wehrte und 100.000 Euro Schadenersatz bekam. Er nannte die Ex-Premiers Kalevi Sorsa und Paavo Lipponen als Leute mit Nahkontakt zur DDR-Botschaft. Ob sie auf der „Tiitinen-Liste“ stehen?

Noch will Supo das Dokument nicht herausrücken: „Die Liste bleibt im Safe“, so Supo-Chef Petri Knape; man will Einspruch erheben. Man habe die Namen im Vertrauen erhalten und riskiere den Ruf als verlässlicher Partner. Das Verwaltungsgericht wies dies ab: „Das Land, das die Liste an Finnland übergab, hat nichts gegen deren Veröffentlichung.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2008)

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