Unruhen: Mongolei vor „Jurten-Revolution“

(c) AP (Zeev Rozen)
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Nach Protesten gegen angebliche Wahlfälschungen durch Ex-Kommunisten erwägt der Präsident Neuwahlen. Das Volk will am Gewinn aus Rohstoffen teilhaben.

ULAN BATOR/ MOSKAU. Demonstrationen gegen Wahlresultate sind in der Mongolei nicht selten. Massenunruhen aber, wie sie sich derzeit zutragen, hat der zentralasiatische Staat mit seinen gut 2,6 Millionen Menschen seit der Wende 1990 nicht erlebt: Fünf Personen starben in der Hauptstadt Ulan Bator, mehr als 300 wurden verletzt.

Etwa 1500 Menschen hatten das Wahlbüro der regierenden Mongolischen Revolutionären Volkspartei (MRVP) gestürmt, zündeten Häuser und Autos an. Eine Galerie wurde geplündert. Die Polizei ging mit Tränengas vor. Präsident Nambariin Enchbajar verhängte den Ausnahmezustand bis Freitag und schloss die Annullierung des Wahlergebnisses nicht aus.

Genau das wollen die Demonstranten. Am Resultat der Parlamentswahl vom 29. Juni nämlich hatten sich die Proteste entzündet. Zwar stand das offizielle Ergebnis bis Mittwoch nicht fest; die größte Oppositionspartei aber, die Demokratische Partei (DP), hat der exkommunistischen MRVP Wahlfälschung vorgeworfen. Laut vorläufiger Auszählung erhält die MRVP 44 der 76 Mandate im „Chural“, dem Parlament, die DP 26. „Niemand braucht solche Resultate, sie werden gemäß den Gesetzen korrigiert werden“, so DP-Parteichef Tsakhilganiin Elbegdorj.

Von langer Hand geplant?

Beobachter ziehen Parallelen zu den „bunten“ Revolutionen, die seit 2003 meist gewaltfrei autoritäre Regime in Serbien, Georgien, der Ukraine und teils Kirgisien stürzten. In Anlehnung an die landestypischen Nomadenzelte sprechen Beobachter von Anzeichen für eine „Jurten-Revolution“. Die russische Nachrichtenagentur Itar-Tass meint, dass der Aufstand von langer Hand geplant und geregelt war.

Die Mongolei, bis 1990 praktisch Teil der UdSSR mit sowjetischen Truppen im Land, wird seit den 20er-Jahren von der MRVP beherrscht. Die einstigen Kommunisten gewannen auch die erste freie Wahl nach der Wende 1990.

Das Machtmonopol wurde erst 1996 von einem oppositionellen Bündnis gebrochen. 2000 kamen die Kommunisten zurück, ehe sie 2004 eine Koalition mit den Demokraten eingehen mussten. Ruhig wurde es nicht, die Koalition brach, die Kommunisten blieben. 2006 gab es Massenproteste gegen die Ausbeutung des Landes durch fremde (meist chinesische und kanadische) Firmen und die Korruption. Hauptabnehmer der mongolischen Exporte ist China (70%).

Geldversprechen an das Volk

Im Wahlkampf war die Aufteilung der riesigen Rohstoffvorkommen (etwa Erz, Gold, Kohle) ein Hauptthema. Die Parteien, vor allem die Kommunisten, übertrafen einander in Versprechen, deren Erträge dem Volk zukommen zu lassen: Trotz der Ressourcen ist das Land eines der ärmsten Asiens, ein Drittel der Bevölkerung lebt in Armut.

LEXIKON: DIE MVRP

DieMongolische Revolutionäre Volkspartei, 1921 gegründet, war im 20. Jht. nach der KPdSU die am zweitlängsten regierende KP. In den 90ern wurde sie reformiert und wandte sich vom Marxismus ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2008)

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