China/Taiwan: „Wir sind doch alle Chinesen“

(c) Reuters (Alvin Chan)
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Beginn regelmäßiger Direktflüge zwischen China und Taiwan: Reportage aus der Flugzeug-Kabine des Flugs HU 7987.

PEKING/TAIPEH. Als die Maschine aus Peking nach vierstündigem Flug um 14.15 Uhr in Taipeh landet, strahlt die 40-jährige Lehrerin Zheng Jie voller Vorfreude. Eine Ehrengarde aus zwei Löschzügen sprüht Willkommens-Fontainen über das Flugzeug, die Passagiere sind vergnügt und die Stewardess wünscht „einen guten Aufenthalt in Taiwan!“

Die Pekingerin Zheng, eine zierliche Frau mit Pferdeschwanz und Brille, ist so etwas wie ein Pionier und schreibt in diesem Moment ein kleines Stück chinesischer Geschichte mit. Denn sie gehört zu den rund 700 Passagieren vom Festland, die an diesem Freitag direkt nach Taiwan reisen. Es ist ein historisches Ereignis, möglich geworden durch die jüngste Annäherung zwischen der KP in Peking und dem neuen taiwanesischen Präsidenten Ma Ying-jeou, der seit dem 20. Mai im Amt ist.

Im Juni verabredeten die beiden Regierungen, dass Flugzeuge zwischen acht taiwanischen und fünf Festlands-Flughäfen fliegen dürfen. Noch allerdings darf dies nur an den Wochenenden geschehen, auch die Zahl der Flüge ist zunächst auf 36 begrenzt.

Taiwan-Trip für Chinesen: 1200 Euro

Gleichwohl: Nach Jahren bitterer Worte und Drohgebärden zwischen den Politikern auf beiden Seiten wächst damit die Hoffnung auf eine entspannte Zukunft, in der sich die Bewohner des Festlands und der Insel mit ihren 23 Millionen Menschen schneller und bequemer als früher besuchen können.

Zheng, reiselustige Geschichtslehrerin aus Peking, wollte in diesem Sommer eigentlich die von muslimischen Uiguren bewohnte Nordwestregion Xinjiang erkunden. Aber dann ergab sich plötzlich die Chance auf ein anderes Abenteuer: Eine Gruppenreise über die Taiwan-Straße in das bislang verfeindete Taiwan. So buchte sie für rund 1200 Euro eine zehntägige Tour, die sie zu allen wichtigen Sehenswürdigkeiten der Insel führen wird.

Individuell dürfen die chinesische Touristen allerdings noch nicht nach Taiwan fliegen, was Lehrerin Zheng völlig in Ordnung findet: „Wir kennen uns ja hier noch nicht aus, da ist es schon gut, wenn alles organisiert wird.“

„Taiwan gehört zu uns!“

Zheng hält das fliederfarbene Reisedokument mit der Einreiseerlaubnis für Taiwan in der Hand, das extra für diese Reise geschaffen wurde. Da die Pekinger Regierung Taiwan nicht als souveränen Staat anerkennt und deshalb auch keinen taiwanischen Stempel im chinesischen Pass dulden will, fanden die Behörden diese pragmatische Lösung. Dass die Taiwaner die Reisegruppen aus der VR China gut aufnehmen werden, bezweifelt Zheng nicht: „Wir sind doch alle Chinesen“, sagt sie, „wir sprechen dieselbe Sprache und stammen aus derselben Kultur.“

Auf politische Diskussionen mit ihren taiwanischen Landsleuten will sich Mitpassagierin Lian Shan, die sich als „einfache Frau aus dem Volk“ und als Regierungsbeamtin zu erkennen gibt, nicht einlassen: „Es gibt nur ein China, daran wird nicht gerüttelt, Taiwan gehört zu uns“, sagt sie fest. Die Direktflüge, davon ist sie überzeugt, seien nur der „erste Schritt auf dem Weg zur Wiedervereinigung“. Sie sollen künftig pro Jahr bis zu einer Million Festländer auf die Insel bringen.

Immerhin: Ihr Flieger Nr. HU 7987 mit der „Hainan Airlines“ landet nicht auf dem internationalen Flughafen vor den Toren Taipehs, sondern auf dem Airport mitten in der Hauptstadt, auf dem gewöhnlich inner-taiwanische Maschinen starten und landen.

Lehrerin Zheng kommt schon in der Ankunftshalle auf ihre Kosten: Ihre Gruppe wird nicht nur mit dem traditionellen Löwentanz, sondern auch mit Gesang und Tanz bunt gekleideter Frauen aus der Amei-Minderheit von Taiwan begrüßt. „Ich bin so gespannt“, sagt Zheng glücklich, „vielleicht sind die Leute ganz anders, als ich es mir immer vorgestellt habe.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2008)

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