Oppositionschef wegen Homosexualität in Haft

(c) AP (Zainal Abd Halim)
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Mit neuen Vorwürfen will die malaysische Regierung den beliebten Ex-Finanzminister Anwar Ibrahim ausschalten.

Bangkok/ Kuala Lumpur. Es war ein Uhr Mittag in Kuala Lumpur, als der Wagen des malaysischen Oppositionsführers Anwar Ibrahim plötzlich gestoppt wurde. Polizisten hielten das Auto in der Nähe von Anwars Wohnung an und verhafteten den Politiker. Er wurde ins Polizeihauptquartier in Kuala Lumpur gebracht.

Warum die Verhaftung überhaupt erfolgte, blieb zunächst unklar. Denn der Oppositionspolitiker war ohnehin bereit, sich vor der Polizei zu Vorwürfen wegen eines angeblichen homosexuellen Übergriffs auf einen Mitarbeiter zu äußern: Ende Juni hatte der 23-jährige Saiful Bukhari Azlan deshalb Anzeige gegen den Oppositionsführer erstattet. Homosexualität ist in Malaysia verboten. Bei einer Verurteilung drohen bis zu 20 Jahre Gefängnis.

Anwar Ibrahim hat alle Beschuldigungen scharf zurückgewiesen. Weil er um seine Sicherheit fürchtete, flüchtete er zwischenzeitlich sogar in die türkische Botschaft in Kuala Lumpur. Die verließ er erst wieder, nachdem die Regierung ihm Schutz zugesichert hatte. Er wolle bei den Ermittlungen vollständig kooperieren, sagte Anwar. Allerdings werde er nicht zulassen, dass sich „das Drehbuch von 1998“ wiederhole.

Regierung verliert an Boden

Dieses „Drehbuch“ lautete damals so: Vor zehn Jahren war Anwar Vizepremier und Finanzminister und geriet mit seinem damaligen Chef Mahathir Mohamad aneinander. Daraufhin wurde er gefeuert. Die Vorwürfe lauteten auf Korruption und Homosexualität. Nach politisch motivierten Prozessen saß Anwar im Gefängnis. Im September 2004 kam er frei, nachdem das Oberste Gericht die Vorwürfe wegen Homosexualität überraschend aufgehoben hatte.

Die neuen Attacken auf Malaysias charismatischsten Politiker kommen nicht von ungefähr: Derzeit verliert die Regierung an Boden und die Opposition erstarkt. Nach ihrer Wahlschlappe im März hatte die seit Jahrzehnten regierende „National Front“ ihre Zweidrittelmehrheit verloren. Kurz darauf behauptete Anwar, es gebe genügend Abgeordnete, die zur Opposition überlaufen wollten. Der 60-Jährige, von vielen als „Premier in Wartestellung“ bezeichnet, legte zudem gegen den Polizeichef und den Generalstaatsanwalt formelle Beschwerde ein. Die beiden hätten vor zehn Jahren Beweismaterial gefälscht, was zu seiner damaligen Verurteilung geführt habe.

Mord an mongolischem Model

Das politische Establishment ist erschüttert, denn Anhänger und Familie Anwars sprechen öffentlich von einer Verschwörung: Das oppositionelle Lager solle daran gehindert werden, die Macht zu übernehmen.

Unter anderem fällt der Name von Vizepremier Najib Razak. Er soll 2010 die Nachfolge des politisch angeschlagenen Premiers Abdullah Badawi antreten und gilt als Erzrivale Anwars. Der 23-jährige Saiful, der die jüngsten Anschuldigungen gegen Anwar vorbrachte, hat laut Opposition enge Kontakte zu Najib. Die Regierung aber bestreitet jede Beteiligung.

Die Schlammschlacht wurde wilder, als Anwar Najib Anfang Juli zudem mit einem spektakulären Mord in Verbindung brachte. Es gebe „schockierende Beweise“, dass der Vizepremier mit einem vor zwei Jahren ermordeten mongolischen Model eine Affäre gehabt habe. Anwar berief sich auf die eidesstattliche Erklärung eines Privatdetektivs. Zum Zeitpunkt der Tat soll die Mongolin mit einem Berater Najibs liiert gewesen sein; dieser wurde wegen Mordes angeklagt. Zunehmend mysteriös wurde der Fall einen Tag später: Der Privatdetektiv nahm seine Vorwürfe gegen Vizepremier Najib zurück. Begründung: Er sei genötigt worden, Najib eine Affäre mit der Frau nachzusagen. Kurz darauf verschwanden der Privatdetektiv und seine Familie spurlos.

ZUR PERSON

Anwar Ibrahim, der am Mittwoch wegen Homosexualität verhaftete Oppositionsführer, kommt ursprünglich aus dem Regierungslager. Der Ex-Finanzminister verlor einen Machtkampf mit dem früheren Premier Mahatir und fiel in Ungnade. Wegen Korruption und Homosexualität saß er sechs Jahre in Haft. Das Urteil wegen homosexueller Übergriffe wurde 2004 aufgehoben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2008)

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