Russland - Venezuela: Kühle Kalkulation statt gemeinsamer Klassenkampf

(c) EPA (Maxim Shipenkov)
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Moskau zögert mit einer engen Partnerschaft mit Venezuela, die über Waffen- und Ölgeschäfte hinausgeht.

MOSKAU. „Russland und Venezuela müssen strategische Verbündete auf dem Gebiet des Öls und der militärisch-technischen Kooperation werden“, forderte der venezolanische Präsident Hugo Chávez am Dienstag in Moskau: „Dies wird die von den USA bedrohte Souveränität Venezuelas garantieren“. Doch sein Liebeswerben um eine enge Partnerschaft, die über eine wirtschaftliche Kooperation hinausgeht, blieb unerhört.

Zum sechsten Mal ist der US-Gegner zu Gast bei den Russen, seit vor drei Jahren eine Kooperation vereinbart wurde. Doch Moskau findet noch immer keinen Gefallen an einer wirklich breiten Partnerschaft, die Chávez vorschwebt. Es ist einzig an einer Ausweitung des Handels interessiert. Bisher blieb dieser einseitig geprägt von russischen Waffenverkäufen an die Lateinamerikaner. Nun soll die Kooperation auf den Öl-, Gas- und Aluminiumsektor ausgeweitet werden.

Beobachter in Moskau betonen, dass Russlands Rückkehr in die Region vor allem wirtschaftlich und politisch, nicht aber ideologisch motiviert sei. Russland, das wie Venezuela für eine multipolare Weltordnung steht, will den Moment nützen, da Chávez als Paria gilt und von den USA mit Waffenembargo belegt ist. Venezuela, fünftgrößter Ölexporteur weltweit, hat Interesse daran, die Wirtschaftskontakte mit den USA zugunsten Russlands, Chinas und des Iran zu verringern. Chávez will sein bisher gutes Verhältnis zu Ex-Präsident Wladimir Putin auch mit dessen Nachfolger Dmitrij Medwedjew fortsetzen. Dieser hat ja neulich wieder betont, am außenpolitischen Kurs seines Vorgängers festzuhalten.

Gemeinsame Ölgeschäfte

Erste konkrete Ergebnisse: In Moskau hat der venezolanische Staatskonzern PDVSA nun neue Verträge mit drei russischen Rohstoffkonzernen abgeschlossen. Der zweitgrößte russische Ölförderer Lukoil will die gemeinsame Erschließung von Ölfeldern und die Öl-Verarbeitung vorantreiben. So könnte es Venezuela anbieten, sein Öl für den europäischen Markt auf Sizilien zu verarbeiten. Dort hat sich Lukoil kürzlich in eine Raffinerie eingekauft. Auch die drittgrößte russische Ölgesellschaft TNK-BP unterzeichnete ihr erstes Abkommen mit Venezuela. Russlands Gasmonopolist Gazprom plant, am Bau der Pipeline von Venezuela nach Brasilien teilzunehmen, sofern das Projekt umgesetzt wird. Zuletzt wurde es von Brasilien in Frage gestellt, weil das Land selbst riesige Gasvorkommen gefunden hat.

Dort, wo Moskau seine wirtschaftlichen Interessen hat, forciert es die Partnerschaft mit Venezuela, auf anderem Gebiet zeigt es Chávez aber die kalte Schulter. So blieb dessen Wunsch nach Krediten für Waffenkäufe unerfüllt. Venezuela will sein Militär bis 2012 für 30 Mrd. Dollar aufrüsten. Dem linkspopulistischen Staatschef schwebt die Gründung einer gemeinsamen Bank zur Stärkung der wirtschaftlichen und finanziellen Unabhängigkeit vor. Doch das russische Finanzministerium wartet seit Längerem auf eine plausible Erklärung für den Sinn eines solchen Unterfangens.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2008)

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