Dialog mit Moskau wird schärfer

Russlands Präsident stellt die Grenzen Georgiens offen in Frage. Merkel, Bush warnen Moskau vor schwerem Imageverlust durch sein Vorgehen.

SOTSCHI/TIFLIS (Reuters). In der Kaukasus-Krise hat Russland die Grenzen Georgiens offen in Frage gestellt: „Nach allem, was geschehen ist, wird es für Abchasen und Osseten kaum noch möglich sein, in einem georgischen Staat zu leben“, erklärte der russische Präsident Dmitrij Medwedjew nach dem deutsch-russischen Gipfel am Freitag in Sotschi am Schwarzen Meer. Bundeskanzlerin Angela Merkel entgegnete, nicht jedes Volk, das aus einem Staatsverband austreten wolle, könne gleich einen lebensfähigen Staat bilden.

Merkel und US-Präsident George W. Bush pochen weiter auf die territoriale Integrität Georgiens und forderten den Abzug der russischen Soldaten aus der Kaukasus-Republik. Sie boten Russland zugleich aber auch künftig eine enge Zusammenarbeit an.

Russland werde sich beim weiteren Vorgehen vom Willen der Bevölkerung in Abchasien und Südossetien leiten lassen, kündigte Medwedjew nach dem Gespräch mit Merkel an. Beide Regionen hatten sich in den 1990er Jahren für unabhängig von Georgien erklärt, was international aber nicht anerkannt wurde.

Die georgische Armee hatte vor einer Woche mit einer Offensive versucht, die Kontrolle über Südossetien zurückzugewinnen, war aber mit einem massiven russischen Militäreinsatz zurückgeschlagen worden. Medwedjew drohte, sein Land werde auf neuerliche Angriffe auf russische Bürger und Soldaten ähnlich reagieren. Russland sei nicht generell gegen internationale Friedenstruppen in den beiden Regionen, aber Abchasen und Osseten vertrauten nur russischen Soldaten.

„Unverhältnismäßiger Einsatz“

Bei der Pressekonferenz Merkels und Medwedjews prallten die gegensätzlichen Positionen offen aufeinander. Dabei kritisierte die deutsche Kanzlerin den Einsatz der russischen Soldaten: „Einige der Aktionen von Russland waren nicht verhältnismäßig.“ Sie forderte den umgehenden Rückzug der russischen Soldaten aus dem georgischen Kernland.

Es sei jetzt auch nicht die Zeit, die Ursachen für die Eskalation des Konflikts zu klären, sondern es müsse nun um die schnelle Umsetzung des von Frankreich vermittelten Sechs-Punkte-Plans für den Waffenstillstand gehen. Der russische Präsident warnte den Westen vor Versuchen, die gesamte Verantwortung für die Krise auf Russland zu schieben. Seine Regierung sei unverändert daran interessiert, mit allen weiter zu kooperieren. Merkel reist am Sonntag zu Gesprächen mit dem georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili nach Tiflis weiter.

Bush: Kein Interesse an Streit

US-Außenministerin Condoleezza Rice traf bereits am Freitag in Georgien ein. Sie wolle dem Land die Unterstützung der USA übermitteln, sagte Präsident Bush in Washington. Bush warf Russland gleichzeitig vor, sein Nachbarland zu schikanieren. Damit habe Moskau seinen Ruf und seine Beziehungen zur freien Welt beschädigt. Bush betonte zugleich aber, dass die USA nicht an einer Wiederbelebung des Kalten Krieges interessiert seien: „Eine mit Streit beladene Beziehung zu Russland ist nicht im Interesse Amerikas und eine mit Streit beladene Beziehung zu Amerika ist nicht im Interesse Russlands.“

US-Abgeordnete brachten inzwischen einen Antrag an das Internationale Olympische Komitee ins Gespräch, die nach Sotschi vergebenen Olympischen Winterspiele 2014 an einen anderen Ort zu verlegen.

Der russische Generalstab berichtete am Freitag, die Waffenruhe in Georgien werde eingehalten. Es sei nicht ein einziger Schuss gefallen, sagte Generaloberst Anatoli Nogovitsin in Moskau. Zugleich wies er Vorwürfe von Menschenrechtlern zurück, dass Russland in Georgien Streubomben eingesetzt habe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.