"S.O.S.": Der Hilferuf der georgischen Ärztekammer

GEORGIA SOUTH OSSETIA CONFLICT
GEORGIA SOUTH OSSETIA CONFLICTEPA (Dmitry Khrupov)
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Der Redaktion liegt ein Schreiben des Präsidenten der georgischen Ärztekammer vor. Er zeichnet ein desaströses Bild von der Versorgung in den Krisengebieten.

Die georgische Ärztekammer hat sich in einem dramatischen Appell an ihre internationalen Kollegen gewandt. In einem der Redaktion von DiePresse.com vorliegenden Schreiben berichtet Professor Gia Lobzhanidze von der Universität Tiflis von den Geschehnissen in Georgien und den Problemen, auf die die lokalen Mediziner stoßen. Er ruft internationale Organisationen zur Mithilfe auf, Russland zum Abzug aus Georgien zu bewegen. Bedauernd stellt er fest, dass die georgische Ärztekammer zwar "viele Rückmeldungen und persönliche Nachrichten von tausenden Kollegen auf der ganzen Welt", aber "noch nicht einen Anruf, eine Mail oder einen Brief von unseren russischen Kollegen erhalten habe".

"Russen stehlen und zerstören"

Lobzhanidze zeichnet ein erschreckendes Bild von der Situation in Georgien: So sollen die Russen immer noch plündernd durch das Land ziehen: "Soldaten der regulären russischen Armee haben den Militärstützpunkt in Senaki komplett geplündert und alles mitgenommen, was sie auf ihren Fahrzeugen und Militärfahrzeugen des georgischen Verteidigungsministeriums unterbringen konnten. Russische Soldaten stehlen Geschirr, Möbel, Haushaltsgeräte, Decken, Computer, Generatoren, Radiatoren und sogar WC-Anlagen. Das, was sie nicht mitnehmen können, zerstören und verbrennen sie. Sowohl der Stützpunkt in Senaki als auch die Küstenwache in Poti wurden komplett zerstört."

Außerdem bringt dem Schreiben zufolge der russische Angriff Georgien "an den Rand einer Umweltkatastrophe", da Hunderte Hektar Wald in geschützten Gebieten zerstört wurden. Da aufgrund der russischen Straßensperren die Feuerbrigaden nicht in der Lage sind, ins brennende Gebiet zu fahren, sind inzwischen auch schon besiedelte Gebiete gefährdet.

Zugverkehr liegt lahm

Im ganzen Land liegt der Zugverkehr lahm: "Russische Soldaten verlassen zwar gerade die Stadt Kaspi, aber vor ihrer Abreise haben sie es geschafft, die Bahngeleise, die durch die Stadt führen, zu zerstören. Die Sabotage durch die Angreifer hat in weitere Folge eine Aufhebung des Zugverkehrs im Land mit sich gezogen. In der Zwischenzeit hat die georgische Polizei wieder die Kontrolle über die Stadt übernommen. Dabei hat sie unter mehreren Brücken explosive Minen sichergestellt."

Gefälschte russische Reisepässe gefunden

In dem Schreiben heißt es weiter: "Vor drei Tagen hat das georgische Verteidigungsministerium 2000 gefälschte Pässe von russischen Bürgern gefunden, die den Bewohnern von Zchinvali, die ossetischen Ursprungs sind, ausgehändigt wurden. Die Pässe wurden im Auto eines russischen Funktionärs in Zchinvali gefunden. Die Pässe sind durchnummeriert, aber die Ausgabedaten passen nicht. Keiner der Pässe trägt eine Unterschrift der jeweiligen Person, der er gehören muss. Es ist daraus zu schließen, dass diese Reisepässe vorbereitet wurden, um die Zahl der sogenannten russischen Bürger in Südossetien zu steigern, damit die Russen ihre 'militärische Intervention' rechtfertigen können. Schließlich zielte die Operation offiziell darauf aus, 'russische Bürger zu schützen'."

Außerdem bestätigt auch der Präsident der georgischen Ärztekammer, dass russische Truppen in Gori Streubomben eingesetzt haben. Dabei starb ein niederländischer Journalist, sein israelischer Kollege wurde schwer verletzt. Er erhebt schwere Vorwürfe gegen die russischen Truppen und die Kämpfer der abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien: "Am 13. August wrude die Straße südlich der Stadt Java Richtung Zchinvali gesperrt. Russische Soldaten teilten an den Kontrollpunkten den internationalen Beobachtern von Menschenrechtsorganisationen mit, dass die Straßen aufgrund der massiven Plünderungen in den georgischen Dörfern entlang der Straße gesperrt wurden.

Die Beobachter sahen aber (..), dass in den georgischen Dörfern Häuser in Flammen standen. Sie waren eindeutig gerade erst in Brand gesetzt worden. Ein Offizier der südossetischen Spionageabwehr erklärte den Beobachtern der Menschenrechtsorganisationen: 'Wir haben diese Häuser niedergebrannt. Wir wollen sichergehen, dass die Georgier nicht wiederkommen können, denn wenn sie wiederkommen, wird das wieder eine georgische Enklave sein. Das sollte nicht passieren.'"

Auf beiden Seiten gibt es viele Tote und Verletzte. Die Russischen Truppen haben alle Straßen nach Gori und angrenzende Gebiete gesperrt, Ambulanzwägen dürfen nicht in die Stadt fahren. Die lokale Bevölkerung von Gori und Umgebung braucht dem Schreiben zufolge vor allem psychologische Hilfe, weil die meisten von ihnen durch die Attacken aus der Luft einen schweren Schock erlitten haben. Die Rettungsdienste durften in dieser Situation nicht nach Gori reisen. Die Bevölkerung in der Konfliktregion hat immer noch keinen Zugang zu medizinischer Versorgung.

(NK)

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