Analyse: Hektik in Bulgarien, Weiterwursteln in Rumänien

(c) Reuters (Stoyan Nenov)
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Die Mahnung der EU, Sofia und Bukarest müssten die Korruption härter bekämpfen, zeigt kaum Wirkung.

BELGRAD. Die Ermahnungen aus Brüssel waren überdeutlich: Rumänien müsse endlich zeigen, dass auch korrupte hochrangige Persönlichkeiten bestraft würden, warnte die EU-Kommission im Juli. Die Botschaft stößt bei den Volksvertretern des EU-Neulings aber auf taube Ohren. Das Parlament stimmte vergangene Woche dafür, die von der Justiz eingeleiteten Korruptionsverfahren gegen den sozialistischen Ex-Premier Adrian Nastase und den früheren Transportminister Miro Mitrea einzustellen – und verweigerte die Aufhebung von deren Immunität.

Die Angst, sich einmal selbst vor Gericht verantworten zu müssen, sei offenbar der wichtigste Ratgeber der Parlamentarier gewesen, höhnte danach erbittert die Zeitung „Gandul“: „Diese lähmende Furcht übertrifft selbst die Zahl der Leichen im eigenen Keller – und die enormen Summen an Geld, die im Parlament angehäuft wurden.“

Brüssel hatte in seinem jährlichen Fortschrittsbericht den EU-Neulingen Bulgarien und Rumänien wegen ihrer nachlässigen Bekämpfung der Korruption und ausbleibender Fortschritte bei der zugesagten Justizreform kräftig die Leviten gelesen. Vor allem Bukarest zeigt sich von der herben Schelte aber kaum beeindruckt.

Rumäniens Justizministerium will nun ausgerechnet den unbequemsten Streiter gegen den Politik- und Mafiafilz ablösen lassen: Danil Morar, der Chef der Antikorruptionsbehörde DNS, soll seinen Sessel für eine pflegeleichtere Nachfolgerin räumen.

Auch Staatschef Traian Basescu scheint der Ermahnungen aus Brüssel zunehmend überdrüssig. Es müsse etwas bis zum nächsten Rapport 2009 passieren, damit das Land nicht länger unter der Fuchtel der Kommission stehe, ärgerte er sich über den „relativ erniedrigenden Bericht“. Jedes EU-Mitglied habe das Recht, Kommentare zurückzuweisen, die ihm missfielen.

Enormer Image-Verlust

Angesichts der bevorstehenden Parlamentswahl und dem folgenden Präsidentschaftswahlkampf sei kaum damit zu rechnen, dass Rumänien die bemängelten Defizite in den nächsten Monaten unter Kontrolle“ bringe, fürchtet die Zeitung „Evenimentul Zilei“: Stattdessen plane der Präsident offenbar eine „politische Offensive“, um die EU-Kommission dazu zu bringen, „die Augen vor der Lage in Rumänien zu verschließen“.

Während Bukarest unbeeindruckt auf Weiterwursteln setzt, hat das Einfrieren von fast 500 Millionen Euro wegen des Missbrauchs von EU-Mitteln in Sofia panische Hektik ausgelöst. Ein von der Opposition eingebrachtes Misstrauensvotum konnte die Mitte-Links-Koalition von Premier Sergej Stanischew zwar überstehen. Doch die Strafsanktionen haben der angeschlagenen Regierung gehörig zugesetzt.

Wegen des satten Wirtschaftswachstums und erhöhter Steuereinnahmen kann Sofia den Mittelausfall finanziell zwar verkraften. Aber der Image-Verlust und der politische Schaden sind enorm. Seit Wochen demonstrieren tausende verarmte Milchbauern für höhere Abnahmepreise: Der von Sofia verschuldete Ausfall von 100 Millionen Euro an EU-Mitteln zur Entwicklung des ländlichen Raums hat ihren Ärger noch verstärkt.

Einige der eingefrorenen Zuschüsse wird Sofia – soweit Brüssel zustimmt – vorläufig mit eigenen Mitteln decken. Bis Ende Oktober hofft Bulgarien, die EU-Kommission von der segensreichen Wirkung eines Anfang August verabschiedeten „Aktionsplans“ zu überzeugen und damit die Aufhebung der Restriktionen beantragen zu können.

Warnsignal nach Bukarest

Da Sofia nun Bereitschaft zur „Korrektur“ zeige, erwarte sie auch von der Kommission entsprechendes Entgegenkommen, fordert Vize-Premierministerin Meglena Plugtschiewa mehr Verständnis in der EU-Zentrale ein. Doch der Langmut in Brüssel gegenüber den 2007 beigetretenen EU-Neulingen scheint aufgezehrt. „Bestimmte Veränderungen“ seien in Bulgarien zwar vorgenommen worden, „aber wir erwarten jetzt greifbare Ergebnisse“, mahnte diese Woche Franz-Hermann Brüner, der Leiter der EU-Behörde zur Betrugsbekämpfung, in Sofia.

Auch an das im Juli noch vergleichsweise glimpflich davon gekommene Rumänien hat die EU-Kommission nun ein klares Warnsignal geschickt. Wegen „Mängeln in der Finanzkontrolle“ hat Brüssel zunächst die Zahlung von 30 Millionen Euro an Agrar-Hilfen an Bukarest vorläufig ausgesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2008)

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