UN-Botschafter: „Moskau riskiert seinen Einfluss“

Zalmay Mamozy Khalilzad
Zalmay Mamozy Khalilzad(c) Reuters (KEITH BEDFORD)
  • Drucken

Amerikas UN-Botschafter Zalmay Mamozy Khalilzad warnt im Interview mit der "Presse" Russland davor, Truppen in Georgien zu belassen.

Die Presse: Hat die internationale Gemeinschaft aus Angst vor Russland zu vorsichtig und weich auf die militärische Intervention in Georgien reagiert?

Zalmay Mamozy Khalilzad: Es gab eine starke diplomatische und humanitäre Reaktion. Unmittelbar nach dem Ausbruch der Krise in Georgien haben die Vereinten Nationen, die US-Regierung, aber auch Europa das russische Vorgehen als völlig überzogen verurteilt. Es wurde detailliert hervorgehoben, wo Russland zu weit gegangen ist – etwa bei der Einflussnahme auf eine demokratisch gewählte Regierung, durch Attacken auf die Infrastruktur oder bei militärischen Angriffen auf Ziele innerhalb des georgischen Territoriums.

US-Außenministerin Condoleezza Rice hat den Sechs-Punkte-Plan zur Beendigung des Konflikts mitgetragen. Niemand konnte aber vom Westen erwarten, dass er sich sofort militärisch engagiert. Doch ist es wahr, dass wir auch eine Strategie entwickeln müssen, wie wir künftig mit Russland umgehen sollen.

Moskau hat bisher seine Verpflichtungen nicht eingehalten. Die russische Armee steht weiter auf georgischem Boden. Haben die USA und Europa überhaupt ausreichend nichtmilitärische Macht, um einen Abzug durchzusetzen?

Khalilzad: Je länger sich Russland weigert, seine Truppen wieder zurückzuziehen und die Umsetzung der Vereinbarungen mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und US-Außenministerin Rice verzögert, desto mehr wird es seine Beziehungen zur westlichen Welt belasten. Es werden bereits erste gemeinsame Kooperationen ausgesetzt. Je länger das dauert, desto mehr wird das auch Russlands Wirtschaft und seinen Einfluss in internationale Organisationen treffen. Moskau riskiert viel.

Die Basis einer nachhaltigen Lösung für die Region könnte in einer gemeinsamen UN-Resolution liegen. Aber derzeit sieht es auch hier nicht nach einer Einigung mit Moskau aus.

Khalilzad: Es liegt an Russland, ob es sich doch zu einer Zustimmung durchringt. Für uns ist der Schlüssel zur Vereinbarung, dass darin die territoriale Integrität und Souveränität Georgiens enthalten sind. Das muss durch die Resolution garantiert werden. Außerdem brauchen wir einen Ausgangspunkt für eine internationale Diskussion über den künftigen Status von Südossetien und Abchasien.

Hat die Bevölkerung von Südossetien oder von Abchasien nicht die selben Rechte wie die Kosovo-Albaner auf Unabhängigkeit von einem Staat, dessen Teil sie nicht mehr bleiben möchten? Ist das nicht ein Element des Selbstbestimmungsrechts?

Khalilzad: Die beiden Situationen sind sehr verschieden. Im Fall des Kosovos war die Unabhängigkeit ein langer Weg, der mit jenem der Provinzen in Georgien nicht vergleichbar ist. Im Kosovo gab es ethnische Säuberungen durch serbische Truppen, es gab in der Folge Angriffe der Nato auf Serbien und internationale Vermittlungsversuche. Im Fall von Georgien stehen wir ganz wo anders.

Es gibt gerade erst den Versuch, über internationale Verhandlungen eine Lösung anzuregen. Wir wissen heute noch nicht, wohin das führen wird. Aber wir können nicht akzeptieren, dass Russland nur deshalb schon jetzt das Ergebnis dieses Prozesses diktieren möchte, weil es gerade seine Truppen dort hat. Das ist inakzeptabel.

Sollten Europa oder die Vereinten Nationen Friedenstruppen in den Kaukasus entsenden?

Khalilzad: Es gibt eine Mission von internationalen Beobachtern der OSZE, die sich vor allem mit dem Sicherheitsgürtel beschäftigt, der rund um Südossetien gelegt wird. Für die Zukunft würden wir natürlich auch eine Rolle der EU, aber natürlich auch der UNO unterstützen.

Sie sprachen über die Konsequenzen der Krise für Russland, Werden aber nicht auch die USA unter den belasteten Beziehungen zu Russland leiden? Schließlich braucht Washington Moskau dringend zur Lösung anderer internationaler Konflikte, etwa zur Lösung der Iran-Frage.

Khalilzad: Natürlich hat das einen negativen Effekt. Aber der Schaden in den Beziehungen wird nun sehr von den nächsten Schritten Russlands abhängen. Es wird sicher auch entscheidend sein, wie Moskau mit anderen Nachbarn umgeht. Hier sind nämlich jetzt neue Ängste entstanden.

Österreich hat sich für einen Sitz im UN-Sicherheitsrat beworben. Sehen Sie eine Chance, dieses Ziel bei der Abstimmung in der UN-Versammlung zu erreichen?

Khalilzad: Wir, die USA, können jetzt nicht sagen, für wen wir letztendlich stimmen werden. Österreich hat aber eine gute Reputation in den Vereinten Nationen. Denn es hat sich aktiv an Friedensmissionen beteiligt und war Treffpunkt heikler internationaler Verhandlungen.

Aber es ist ein Faktum, dass die anderen Kandidaten – Island und Türkei – der USA als Nato-Partner näher stehen als Österreich.

Khalilzad: Natürlich sind Island und Türkei unsere Nato-Partner. Aber letztlich wird es darauf ankommen, wie sich jedes der Länder im Rahmen der Kandidatur noch präsentieren wird.

ZUR PERSON: BUSHS MANN BEI DER UNO

Zalmay Khalilzad ist in Afghanistan geboren, studierte später in Beirut. In den USA wurde er in den Zirkel der Neokonservativen aufgenommen. Nach dem 11. September 2001 wurde er zu einer der Schlüsselfiguren des von den USA geführten „Krieges gegen den Terror“. Er übernahm 2003 den Posten des US-Botschafters in Kabul, 2004 wechselte er nach Bagdad. Als er zum Botschafter der USA bei der UNO bestellt wurde, war man erleichtert, dass ein Realist den Hardliner John Bolton ablöste.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.