Menschenrechte: „Die Welt ist pessimistisch“

Martin Uhomoibhi
Martin Uhomoibhi(c) AP (Martial Trezzini)
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Martin Uhomoibhi, Präsident des UN-Menschenrechts-Rates in Genf, verteidigt die Arbeit des umstrittenen Gremiums.

Die Presse: Viele sagen, die Lage der Menschenrechte werde seit Jahrzehnten eher schlechter. Hatte der Menschenrechts-Rat bzw. sein Vorgänger, die Kommission, in der Praxis irgendeinen Nutzen?

Martin Ihoeghian Uhomoibhi: Seit 1948 (der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die UNO, Anm.) gab es großen Fortschritt. Die Welt ist zu pessimistisch, denkt stets in Worst-case-Szenarios. Auch wenn Gutes passiert, sagt man: „Es ist nicht gut“.

Bei Ländern wie Russland, Sudan, Burma, Liberia, Kuba und anderen beklagt der Westen immer wieder die Menschenrechtslage. Konterkarieren diese Beispiele Ihre Arbeit?

Uhomoibhi: Nein. Liberia und Sudan sind Konfliktsituationen. Die entstehen aus vielen Gründen: Armut, Herausforderungen des Nation-Building... Daraus entsteht mangelnder Respekt für Menschenrechte. Mein Blickwinkel ist, dass das Thema Menschenrechte in der Regierungspraxis mehr berücksichtigt wird. Und die Bürger werden sich der Pflicht der Staaten, jene Rechte zu wahren, bewusster.

Laut Satzung des Rates sollen nur Staaten, die „höchste Standards“ bei Menschenrechten haben, in ihn gewählt werden. Jetzt ist da etwa China dabei. Dort aber wird per Genickschuss hingerichtet...

Uhomoibhi: Die UN ist eine demokratische Organisation von Staaten. Diese zeigen Interesse für gewisse Institutionen, das dürfen sie, es gibt Willens- und Ausdrucksfreiheit. Und wenn jemand gewählt wird, kann man Wahl und Mitgliedschaft in der Institution nicht kritisieren. Wir sind nicht in der Position, irgendeinen Staat wegen Verfehlungen zu ächten. Länder arbeiten in der UN zusammen, es gibt Dialog, Kooperation – das ist der einzige Weg für Fortschritt.

China hat also hohe Menschenrechts-Standards?

Uhomoibhi: Mein Gott, wie sagt man, ob ein Staat Standards erfüllt, das ist eine knifflige Frage! Jedes Land steht vor Herausforderungen, versucht, sich Standards zu nähern. Es wäre vermessen, ein moralisches Urteil über das Verhalten eines anderen Landes zu fällen, und ob es Standards erfüllt. Kein Land erfüllt die voll, nicht einmal alte Demokratien. Wir sind alle dabei, sich ihnen zu nähern.

Sie sind Christ. Katholik, nicht?

Uhomoibhi: Ja, und stolz darauf!

Was sagen Sie zu islamischen Ländern im Rat, die durchsetzten, dass man über Themen nicht mehr debattieren dürfe, wenn dabei religiöse Gefühle verletzt würden?

Uhomoibhi: Der Rat wird demokratisch gebildet. Glauben Sie an Demokratie, müssen sie der Mehrheit folgen. Wenn sie mich selbst fragen, habe ich als Martin und Katholik meine eigenen Überzeugungen. Doch ich handle in einem internationalen Umfeld und bin von dessen Regeln bestimmt.

Redefreiheit gehört zur Demokratie. Ist Religion mehr wert?

Uhomoibhi: Jeder glaubt an Redefreiheit! Aber meine Freiheit darf nicht unterminiert werden, indem Sie Ihre überspannen. Wenn Sie keinen Respekt für meine Ansichten haben, dann ist auch Ihre eigene Freiheit negativ beeinflusst.

Manche sagen, die Menschenrechtskommission sei der größte Papierkorb aller Zeiten gewesen...

Uhomoibhi: Es ist leicht, Institutionen lächerlich zu machen. Die Kommission hatte Probleme, aber sie bewirkte etwas. Sie wurde stigmatisiert, aber die Verantwortung tragen die Länder, die sie bildeten. Und Menschenrechte sind nicht Prärogative nur einer Gruppe.

Ihr Land, Nigeria, hat nicht gerade die beste Menschenrechtsbilanz.

Umomoibhi:Doch nicht die schlechteste. Wir sind ein 140-Millionen-Land, stehen vor manchen Herausforderungen. Aber wir wollen verantwortungsvolle Weltbürger sein.

HINTERGRUND

Martin Ihoeghian Uhomoibhi(*1954, Nigeria) ist seit Juni Chef des UN-Menschenrechtsrates in Genf. Dieser überwacht die Lage der Menschenrechte in den UN-Staaten. Kritiker sagen, er verfasse wie sein Vorgänger, die „Kommis- sion“, nur butterweiche Berichte, da viele Länder einander schützten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2008)

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