Italien: Bürgermeister Roms provoziert auf Israel-Reise

(c) EPA (Guido Montani)
  • Drucken

Gianni Alemanno empört mit Faschismus-Aussagen. Wie eng Antisemitismus und Italo-Faschismus tatsächlich verflochten waren, daran erinnerte erst vor wenigen Wochen eine andere Diskussion.

Rom/WIEN (gau). Gianni Alemanno schlürfte seine „Granita“ in einer Hotelhalle in Jerusalem und wartete auf den Wagen, der ihn zur Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem bringen sollte. Das hielt er für eine gute Gelegenheit, um für den „Corriere della Sera“ Italiens Vergangenheit neu zu deuten.

Sein eigener Parteichef Gianfranco Fini hatte 2003 hier in Yad Vashem den Faschismus als das „absolute Böse“ bezeichnet, mit der postfaschistischen Vergangenheit gebrochen und so seine „Alleanza Nazionale“ zu einer international salonfähigen konservativen Partei gemacht. Sehr zum Missfallen der Mussolini-Nostalgiker, die nun in Roms neuem Bürgermeister ein Sprachrohr finden: „Ich bin da anderer Meinung. Das absolute Böse sind die Rassengesetze, mit denen der Faschismus sein Ende verursacht hat. Das war ein Nachgeben gegenüber dem Nazitum.“

„Respekt“ für Juden-Hetzer

Damit erweckt das umstrittene Stadtoberhaupt die Unterscheidung der „guten“ italienischen Faschisten von den „bösen“ deutschen Nazis zu neuem Leben. Entsprechend heftig die Reaktionen zu Hause in Italien. Walter Veltroni, Oppositionschef und Vorgänger Alemannos als Bürgermeister, erteilt Lektionen „an alle, die die Geschichte nicht kennen“. Der Faschismus habe schon vor den Rassengesetzen von 1938 „die Freiheit der Bürger beseitigt“ und Regimegegner umgebracht. „Die Rassengesetze sind aus dem Faschismus hervorgegangen“, meint auch Renzo Gattegna, Vorsitzender der jüdischen Gemeinden. Wie eng Antisemitismus und Italo-Faschismus tatsächlich verflochten waren, daran erinnerte erst vor wenigen Wochen eine andere Diskussion, die ebenfalls Alemanno losgetreten hat: Er wollte eine Straße in Rom nach Giorgio Almirante benennen. Der war von 1938 bis 1942 Mitherausgeber der Parteizeitung „Die Verteidigung der Rasse“. Dort schrieb er in antisemitischen Hetzartikeln Sätze wie diesen: „Der Rassismus muss zum täglichen Brot für uns alle werden.“ Kein Problem für Roms Stadtoberhaupt: „Wir haben alle großen Respekt vor Almirante.“

Denn der wurde nach dem Krieg Chef der Postfaschisten, als deren Jugendführer Alemanno in den Achtzigern erste politische Erfahrungen sammelte – vor allem in Straßenschlachten.

Seit dieser Zeit trägt er ständig ein keltisches Kreuz um den Hals, ein europaweites Symbol der extremen Rechten. Für Alemanno ist es eine „Erinnerung an einen Freund, der von politischen Gegnern getötet wurde“. 2003 ließ er es sogar kirchlich segnen: bei seinem ersten Besuch in Israel, vor dem heiligen Grab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.