Russland - Österreich: Zwei gereizte Duzfreunde in Moskau

(c) AP (Mikhail Metzel)
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Die jetzige Tieffront trübte auch das Treffen Lawrow-Plassnik. „Fundamental“ seien die Divergenzen in einer Reihe von Grundsatzfragen.

MOSKAU/PARIS. Wenn sich Bläschen in der Pfütze bilden, dauert der Regen meist lange, erklärt der Polizist vor der Residenz des russischen Außenministeriums in Moskau am Dienstag recht unvermittelt die Tiefwetterfront. Es schüttete in Strömen, das Wetter passte ganz gut zu den Auffassungsunterschieden zwischen der EU und Russland in der Georgien-Krise. Auf „absehbare Zeit“ werde das Schlechtwetter wohl anhalten, meinte Außenministerin Ursula Plassnik im Anschluss an das Gespräch mit ihrem russischen Kollegen Sergej Lawrow.

„Fundamental“ seien die Divergenzen in einer Reihe von Grundsatzfragen, etwa was den Status der von Georgien abtrünnigen Republiken Südossetien und Abchasien zu Georgien betreffe. Und: „Es zeichnet sich keine Annäherung ab“, so Plassnik.

Der Zufall wollte es, dass Plassniks Besuch in Moskau genau einen Tag nach der Einigung auf die Umsetzung des EU-Friedensplans erfolgte. Die EU-Troika unter Vorsitz von Frankreichs Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy hatte am Montag Russland die Zusage abgerungen, unter der Aufsicht von 200 EU-Beobachtern und unter der georgischen Garantie eines Gewaltverzichts binnen eines Monats seine Truppen aus dem georgischen Kernland abzuziehen.

Sarkozy platzte der Kragen

Alles andere als glatt seien diese Verhandlungen verlaufen, berichtete die französische Zeitung „Le Figaro“. „Wir gehen! So kann man nicht verhandeln“, habe Sarkozy den Gesprächspartnern erklärt und sei wutentbrannt aufgestanden, um ihnen mit dem Eklat zu drohen, falls sie stur blieben.

Sarkozy habe konsequent argumentiert, dass der Rückzug der russischen Truppen auf ihre Positionen vor Kriegsausbruch am 7. August das Minimum sei, was die EU von Moskau an Entgegenkommen erwarte. Erst als Kremlbeamte den kurzzeitig abwesenden russischen Präsidenten Dmitrij Medwedjew wieder herbeigerufen hätten, habe Sarkozy den Russen die Zusicherung eines Truppenabzugs aus Georgien abringen können, schrieb „Le Figaro“.

Plassnik zeigt sich überzeugt, dass der Kreml allein schon aus Sorge um die eigene Glaubwürdigkeit seine Truppen wie vorgesehen abziehen werde. Das werde man, griff ein ungewöhnlich gereizter Lawrow das Ping-Pong mit seiner Duzfreundin auf: „Aber der erste Schritt liegt bei der EU.“ In der Tat hat diese alle Hände voll zu tun, um rechtzeitig 200 Leute für die Beobachtermission zu organisieren. Die russische Armee räumte indessen am Dienstag eine erste Stellung in Kern-Georgien.

Wetteifern um das letzte Wort

Unterdessen bleibt Russland aktiv. Am Dienstag wurden diplomatische Beziehungen zu Südossetien und Abchasien aufgenommen, deren Unabhängigkeit Russland schon zuvor trotz Protests des Westens anerkannt hat. Auf dieser Grundlage würden künftig nicht russische Friedenssoldaten, sondern reguläre Streitkräfte für eine etwaige Aggressionsabwehr in den besagten Republiken stationiert, sagte Lawrow. Gegen eine Wiederaufrüstung Georgiens hingegen werde man auf internationalen Foren ankämpfen.

Nicht Russland sei der Aggressor, wetteiferte Lawrow mit Plassnik um das letzte Wort, sondern Georgien. Nicht Russland biege das Völkerrecht, sondern Georgien und der Westen im Kosovo. Auf der Basis klarer Standpunkte werde man den Dialog mit der EU trotzdem fortsetzen, beschloss Plassnik den gemeinsamen Auftritt.

Im Übrigen sei das Hauptziel ihres Besuchs ja die weitere Verbesserung der Beziehung zwischen Wien und Moskau gewesen. Nicht überall, wie man hört: Die Rückgabe von Beutekunst an Österreich kommt nur zum Teil voran. Und seit einem Dreivierteljahr verweigert Russland dem designierten österreichischen Kulturattaché die Arbeitserlaubnis im Land.

AUF EINEN BLICK

24 militärische Stellungen unterhält Russland nach georgischen Angaben derzeit auf dem Kerngebiet Georgiens, also außerhalb der abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien. Am Dienstag begannen die Russen mit der Räumung eines Stützpunkts in der Stadt Ganmuchuri, nahe Abchasien. Sowohl in Abchasien wie in Südossetien, die Moskau bereits als unabhängig anerkannt hat, sollen künftig je 3800 russische Soldaten permanent stationiert bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2008)

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