Krisenalarm: Härtetest für den neuen US-Präsidenten

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Der nächste Mann im Weißen Haus könnte sich bald mit einer veritablen außenpolitischen Krise konfrontiert sehen, meinen Experten. Nicht nur im Mittleren Osten und in Russland.

Warten Amerika-feindliche Staaten und Kräfte nur darauf, bis ein neuer Mann ins Weiße Haus eingezogen ist, um dann eine Krise anzuzetteln und so den neuen US-Präsidenten zu testen? Das glaubt jedenfalls Senator Joe Biden, der Vizepräsidentschaftskandidat der Demokraten, ein erfahrener Außenpolitiker.

„Es wird nicht einmal sechs Monate dauern, ehe die Welt Barack Obama testen wird – wie das auch John Kennedy widerfahren ist. Die USA werden einen brillanten 47jährigen Senator zum Präsidenten wählen. Passen Sie auf, wir werden eine internationale Krise haben, eine künstliche Krise, um den Mut dieses Burschen zu testen“, erklärte Biden bei einer Wahlkampfveranstaltung in Seattle, Washington.

Gefragt, wer denn eine solche Krise auslösen könnte, antwortete der Vizepräsidentschaftskandidat: „Sie könnte vom Mittleren Osten oder von Russland ausgehen.“

Außenpolitische Analytiker können der Krisenprojektion des Demokraten einiges abgewinnen:

•Im Nahen und Mittleren Osten seien es vor allem der Iran und Pakistan, von denen ständig eine Krisengefahr ausgehe. Mit dem Iran liegt Washington wegen dessen ehrgeizigen Atomprogramms im Dauerclinch. Teheran hat mit engen Kontakten zur palästinensischen Hamas und zur Hisbollah im Libanon auch extremistische Gruppen am Gängelband, die es zum Auslösen einer Krise anstiften könnte.

Das atomar bewaffnete Pakistan gilt mit seinen ungelösten inneren Problemen inzwischen als gefährlichstes Land der Welt. Die mit den USA verbündete Regierung steht unter Dauerdruck der eigenen Islamisten. In den Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan werden die Kämpfe zwischen islamistischen Gruppen und Regierungstruppen immer heftiger. Vor allem von hier aus operieren auch die afghanischen Taliban, die die Nato-geführte Internationale Afghanistan-Schutztruppe immer mehr bedrängen.

Dieser Teil Südwestasiens erscheint wie ein riesiges Pulverfass, das US-feindliche Kräfte jederzeit hochgehen lassen könnten. Islamisten könnten einen konzertierten Großangriff gegen die Regierung unternehmen, die Taliban ihre Terrorkampagne gegen die Nato-Truppen noch verstärken.

Russland hat seinen Ton gegenüber den USA sukzessive verschärft. Moskau sieht sich von den USA in seinem eigenen Hinterhof herausgefordert und hat deutlich gemacht, dass es die Aufnahme Georgiens und der Ukraine in die Nato als Überschreiten einer „roten Linie“ ansieht. Im Fünftagekrieg gegen Georgien haben die Russen gezeigt, dass sie bereit sind, ihre Interessen in der Nachbarschaft auch militärisch durchzusetzen. Und es wäre für Moskau ein Leichtes, auf der Krim eine veritable Krise zu provozieren.

Zudem war zuletzt auch immer deutlicher eine russische Revanchestrategie erkennbar. Russische Atombomber und Kriegsschiffe beteiligen sich an Manövern in Venezuela, die Kontakte zu Kuba und linksgerichteten Staaten in Südamerika werden intensiviert. Die Botschaft an die USA: Was ihr in Osteuropa und im Kaukasus könnt, das können wir in eurem Hinterhof auch.

Aber auch in anderen Krisenregionen der Welt könnte das Zündholz in die Benzinlache geworfen werden: Nordkorea mit seiner unberechenbaren kommunistischen Führung, Nigeria, Afrikas bevölkerungsreichster Staat, aus dem die USA immer mehr seiner Erdölimporte beziehen, der Irak, wo sich die über 140.000 US-Soldaten mit einem neuen Wiederaufflammen des Aufstandes konfrontiert sehen könnten. Auch ein neuerlicher großer Terrorschlag gegen die USA von Osama bin Ladens Netzwerk al-Qaida ist nie auszuschließen.

Das republikanische Duo für das Weiße Haus hat unterdessen seine eigene Interpretation für Joe Bidens Warnung vor einem Krisentest für einen möglichen Präsidenten Obama: John McCain und Sarah Palin warnen davor, dass das außenpolitische „Greenhorn“ Obama einer solchen Krise unschlüssig und völlig hilflos gegenüberstehen würde.

KUBA-KRISE. CHRUSCHTSCHOW TESTET KENNEDY

McCain »Obama »Prognosen »News »Themen »Es begann in Wien. Gerade fünf Monate war der Demokrat John F. Kennedy im Weißen Haus, als er in Wien Anfang Juni 1961 Sowjetführer Nikita S. Chruschtschow traf. Der erachtete den Amerikaner, der gerade das „Schweinebucht-Fiasko“ auf Kuba hinter sich hatte, als politisches Leichtgewicht, während er vor Selbstvertrauen strotzte.

Die Sowjets ließen zwei Monate später die Berliner Mauer hochziehen und begannen ab Sommer 1962, Atomraketen und Truppen nach Kuba zu schicken. Nachdem die USA diese Kernwaffen entdeckt hatten und eine Seeblockade verhängten, geriet die Welt an den Rand eines Nuklearkrieges.

Ende Oktober 1962 steckte Moskau zurück, versprach den Abzug seiner Kernwaffen aus Kuba, wenn die USA ihrerseits ihre Atomraketen aus der Türkei abziehen würden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2008)

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