Russische Raketen nach Kaliningrad

(c) AP (Sergey Ponomarev)
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Präsident Medwedjew hatte in seiner erste Rede einige Überraschungen parat: In der russischen Exklave Kaliningrad zwischen Polen und Litauen sollen Kurzstrecken-Raketen stationiert werden.

Moskau. So verschafft man sich auch an einem Tag Aufmerksamkeit, an dem die Welt eigentlich ein anderes Thema hat: Bei seiner ersten Rede zur Lage der Nation kündigte Russlands Präsident Dmitrij Medwedjew am Mittwoch an, in der russischen Exklave Kaliningrad Kurzstrecken-Raketen zu stationieren. Dies ist eine Antwort auf die US-Raketenabwehr, von der Komponenten sehr zum Ärger Moskaus in Polen und Tschechien stationiert werden.

In der Nato wird diese Ankündigung auf wenig Begeisterung stoßen. Eine erste Reaktion kam aus dem deutschen Außenministerium: Es sei das „falsche Signal zum falschen Zeitpunkt“.

Und dann gab es gleich noch eine Überraschung in Medwedjews Rede: Der Präsident schlug nämlich etwas vor, wozu sein applaudierender Vorgänger Putin in acht Jahren nicht zu überreden gewesen war. Medwedjew will die Amtszeit auf sechs Jahre verlängern. Außerdem solle das Parlament künftig auf fünf statt bisher vier Jahre gewählt werden. Und die Regierung habe einmal im Jahr Rechenschaft vor dem Parlament abzulegen. „Es geht nicht um eine Verfassungsreform, sondern um eine Korrektur der Verfassung“, hielt der Jurist Medwedjew fest.

Medwedjews Vorgänger Putin war immer wieder verdächtigt worden, die Verfassung zur eigenen Machtabsicherung ändern zu wollen. Letztlich war es nie dazu gekommen, wiewohl er deren Geist durch die Errichtung einer zentralistischen Machtvertikalen und der faktischen Demontage der Gewaltenteilung maximal vergewaltigt hatte. Dass Medwedjew den neuen Kurs, den man von ihm erwartet hatte, nun in dieser Weise programmieren würde, kam gleich überraschend wie die zweimalige Verschiebung der Rede – angeblich wegen der Finanzkrise – und die endgültige Festsetzung auf den Tag nach den US-Präsidentenwahlen.

„Hochnäsige“ US-Politik

Den Hauptrüffel in Medwedjews Rede erhielten erwartungsgemäß die USA mit ihrer „hochnäsigen“ Politik, mit der sie den Georgien-Konflikt und die Finanzkrise hervorgerufen hätten. Der KaukasusKonflikt sei nur Vorwand gewesen, um Nato-Schiffe ins Schwarze Meer zu schicken und den US-Raketenschild aufzustellen. Russland werde im Kaukasus nicht zurückweichen, versicherte Medwedjew. Später wurde aus der Administration verlautet, dass Medwedjew dem neuen US-Präsidenten Obama gratulierte und auf „einen konstruktiven Dialog“ hoffe.

Im Übrigen geriet Medwedjews Rede zu einem Plädoyer für die Weiterentwicklung des demokratischen Weges Russlands, einen innenpolitischen Reformweg, der auch die Stärkung der freien Medien umfassen müsse, und die Modernisierung der Wirtschaft.

Russland werde gestärkt aus der Finanzkrise hervorgehen. Dabei warnte er seine Landsleute, die jetzige kritische Situation für Abrechnungen im wirtschaftlichen Konkurrenzkampf und für populistische Politikmanöver zu missbrauchen.

LEXIKON

Kaliningrad (Königsberg) ist eine russische Exklave an der Ostsee, die zwischen Polen und Litauen – also zwei Nato-Staaten – eingeklemmt ist. Auf 223 Quadratkilometer leben rund 423.000 Einwohner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2008)

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