Energie: Russland droht der Ukraine mit Gas-Lieferstopp

(c) EPA (Sergey Dolzhenko)
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Eine neue Gas-Krise kündigt sich an: Gazprom will von Kiew mehr als den doppelten Preis verlangen. Die Ukraine deckt zwei Drittel ihre Bedarfs mit Gas, das Russland immer teurer in Zentralasien zukauft.

MOSKAU. Das Spiel ist bekannt: Am Samstag schoss Russland der Ukraine wieder mit schwerem Geschütz vor den Bug. Sollte die Ukraine ihre Gas-Schulden nicht zahlen und damit den Weg für neue Lieferverträge freigeben, würden die Lieferungen ab 1. Jänner gestoppt, sagte Gazprom-Sprecher Sergej Kuprjanow. „Einen Lieferstopp würden wir gerne vermeiden, aber eine Gaslieferung ohne Verträge ist unmöglich.“

Schon davor hatten Gazprom-Chef Alexej Miller und Russlands Präsident Dmitri Medwedjew mit einer Gaspreiserhöhung von derzeit 179,50 Dollar auf 400 Dollar je 1000 Kubikmeter gedroht. Seit gut drei Jahren sind beide Staaten im Clinch. Begonnen hat es Anfang 2006, als Russland beschloss, die Billigpreispolitik mit den Nachbarn zu revidieren. Die Ukraine deutete dies als Strafe für ihren prowestlichen Kurs. Weil man in dem Transitland auch illegal Gas abzapfte, drehte Moskau den Hahn zu und ramponierte so im Westen sein Image als zuverlässiger Gaslieferant. Seither ringt die Ukraine Jahr für Jahr um die Preisbildungsformel. Moskaus Druckmittel sind die Gas-Schulden. Sie liegen bei 2,4 Mrd. Dollar.

Weil sich Medwedjew eingemischt hatte, antwortete nun auch sein ukrainischer Amtskollege Viktor Juschtschenko. Zum einen schob er die Schuld seiner Rivalin und Premierministerin Julia Timoschenko zu. Zum anderen schlug er verärgert vor, im Gegenzug andere Preise auf marktwirtschaftliches Niveau anzuheben: für den Transit nach Europa, für die Gaslagerung in ukrainischen Gasspeichern und für die Stationierung der russischen Schwarzmeerflotte auf der ukrainischen Krim.

Die Konflikte häufen sich

Ob das wohl vorteilhaft für die Ukraine wäre? Die Schwarzmeerflotte hat einen Langzeitvertrag bis 2017 und zahlt jährlich etwa 97 Mrd. Dollar Miete. Beim Gastransit (80 Prozent des russischen Gases fließen über die Ukraine nach Europa) könnte Kiew zwar Druck machen, aber einen hohen Gaspreis doch nicht kompensieren.

Die Ukraine deckt zwei Drittel ihre Bedarfs mit Gas, das Russland immer teurer in Zentralasien zukauft. Der Gasstreit findet vor dem Hintergrund einer Vielzahl von bilateralen Konflikten statt. So hat Medwedjew Kiew brüskiert, weil er an den Gedenkfeiern zur großen Hungerkatastrophe der 30er-Jahre, die Kiew als Genozid durch die Sowjetmacht deutet, nicht teilgenommen hat.

Zuvor war das Verhältnis abgekühlt, nachdem die Ukraine Georgien im Krieg gegen Russland unterstützt hatte. Timoschenko hatte dabei nicht mitgemacht. Kolportiert wird nun, dass sie im Fall von Neuwahlen auf Moskaus Hilfe zu zählen beginnt. Inzwischen hat die Finanzkrise beide Staaten schwer getroffen. Die Ukraine erhielt Hilfe vom Internationalen Währungsfonds. Und Moskau leidet unter dem gesunkenen Ölpreis, der auch die Gaslieferungen schmerzlich verbilligen wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2008)

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