Zagreb im Bann der Facebook-Affäre

Der Chef eines Jugendverbands der Opposition wurde verhaftet, nachdem er Premierminister Ivo Sanader im Internet in Nazi-Uniform dargestellt hatte.

BELGRAD/ZAGREB.Etwas verspätet übt sich der kroatische Premier in der Rolle des besorgten Feuerwehrmanns: „Niemand in Kroatien kann verhaftet werden, weil er eine andere Meinung hat, protestiert oder meinen politischen Ansichten nicht zustimmt“, versicherte Ivo Sanader: „Kroatien ist ein Land mit großen Freiheiten.“ Doch genau das Recht auf Meinungsfreiheit sehen immer mehr Kroaten nach der Festnahme von Facebook-Aktivisten bedroht.

Ende November hatte Nik?a Kle?ak, der Chef des Jugendverbands der oppositionellen Sozialdemokraten (SDP) in Dubrovnik, auf seiner Facebook-Homepage die Aktion gestartet: „Ich wette, dass ich 5000 Leute finde, die Sanader nicht mögen.“ Die Wette hatte der 22-Jährige schon nach wenigen Tagen gewonnen. Die Abbildung des Premiers in Nazi-Uniform bezeichnete zwar selbst die SDP-Führung als „geschmacklos“. Doch die Verhaftung von Kle?ak wegen angeblicher Verherrlichung des Nationalsozialismus geißelte SDP-Chef Zoran Milanovi? als „Unterdrückung der Meinungsfreiheit“. Sanader verteidigte hingegen zunächst das Polizeivorgehen. Die Fotomontage sei nicht gegen ihn, sondern gegen die Demokratie gerichtet: „In einer Demokratie dürfen keine Spiele mit Nazi-Insignien betrieben werden – nicht einmal satirische.“

Regierung als „Diebesbande“

Die unerwartet starke Welle der Kritik lässt Sanader nun moderatere Töne anschlagen: Er habe einen Bericht vom Innenministerium angefordert – und bei einem Versagen der Polizei um „adäquate Sanktionen“ gebeten, so Sanader.

Rund 60.000 Kroaten haben mittlerweile den Aufruf einer weiteren Facebook-Initiative unterzeichnet, am 5. Dezember aus Protest gegen die Regierung landesweit auf die Straße zu gehen. Vorab wurden in Zagreb und Zadar erneut Jugendliche wegen des Klebens von Demo-Plakaten kurzzeitig verhaftet.

„Schnürt eure Gürtel enger, ihr Diebesbande!“ lautet das Motto des Internet-Protests, der sich gegen Sparappelle und die immer weiter auseinanderklaffende Wohlstandsschere richtet: „Lasst nicht zu, dass Kroatien sich aufteilt in eine kleine Schicht sehr Reicher und einer großen Zahl von armen Leuten!“ Auslöser für den Protest ist indirekt erneut Sanader.

Seit seiner Ankündigung, dass man in den Staatsbetrieben in diesem Jahr von Neujahrsfeiern, Weihnachtsgeld und Geschenken absehen sollte, schwappt eine Welle von Schimpfkommentaren durchs Internet: Höhnisch erinnern sie an die fürstlichen Saläre der Kabinettsriege. Sanader lasse es an „sozialer Sensibilität“ missen, kritisiert der Politologe Branko Caratan: „Die Regierung müsste selbst ein Beispiel geben – und auch eigene Privilegien kürzen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2008)

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