Russland: Ohne Demokratie keine Modernisierung

(c) AP (Mikhail Klimentyev)
  • Drucken

Ohne Demokratie gibt es in Russland keine Aussicht auf Modernisierung: So lautet das Ergebnis einer Analyse, die vom russischen „Institut für moderne Entwicklung“ erstellt wurde.

MOSKAU. Ohne Demokratie gibt es in Russland keine Aussicht auf Modernisierung: So lautet das Ergebnis einer Analyse, die vom russischen „Institut für moderne Entwicklung“ erstellt wurde und in Teilen nun über zwei Zeitungen an die Öffentlichkeit gelangte. Titel des Elaborats: „Demokratie: Entwicklung des russischen Modells“. Die Autoren sehen in der Abkehr von Putins „Machtvertikale“ eine Voraussetzung für eine Modernisierung des Landes, wie sie auch in der offiziellen „Strategie 2020“ vorskizziert ist. Das „Institut für moderne Entwicklung“ ist ein liberaler Thinktank, der von Staatspräsident Dmitrij Medwedjew eingerichtet worden ist.

Mit den Schlagworten Infrastruktur, Innovation und Investition hatte Medwedjew bei seinem Amtsantritt im Mai seinen Kurs umrissen. Im Zuge der Finanzkrise ist inzwischen das Defizit an Innovation schmerzlich zutage getreten. Vor allem der unerwartete Verfall des Ölpreises hat die Anfälligkeit der rohstofflastigen Ökonomie offengelegt und die Notwendigkeit einer Diversifizierung in Erinnerung gerufen.

Warten auf Impulse von oben

Die Autoren der Analyse gehen davon aus, dass die angepeilte Modernisierung der Gesellschaft nicht auf die sozialökonomische Sphäre beschränkt sein kann. Man müsse vielmehr „das System der Werte und Institute in der Gesellschaft“ verändern – sprich: eine Demokratisierung durchführen. Der notwendige Impuls dazu könne nur durch politischen Willen von oben ausgelöst werden. Das könne in breiten Kreisen der Gesellschaft zivilgesellschaftliche Aktivitäten entfachen.

Krisenbewältigung hat Priorität

Die Nachfrage nach demokratischen Werten in der Gesellschaft sei jedenfalls gegeben, behaupten die Autoren. Ob sie stark genug ist, um Veränderungen zu bewirken, wird freilich nicht beantwortet. Selbst in der Analyse ist davon die Rede, dass Mittelklasse und Zivilgesellschaft schwach entwickelt seien. Das autoritär gelenkte System Putins wurde im Volk ziemlich widerstandslos akzeptiert.

Die Finanzkrise, die längst auf die Wirtschaft insgesamt durchgeschlagen hat, muss zudem nicht unbedingt verbleibende liberale Kräfte stärken. Dass die Führung nicht nur rhetorisch, sondern tatsächlich mehr Demokratie will, ist nicht ausgemacht. Jedenfalls ist Hoffnungsträger Medwedjew noch nicht aus Putins Schatten getreten.

Ohnehin bestünde aufgrund der Wirtschaftskrise vorerst keine Eile, meinen die Autoren. Zuerst gelte es, die Krise zu meistern, erst danach komme die Demokratisierung. Weil aber auch diese neue Konflikte in der Elite verursachen könne, bedürfe es keiner radikalen Schritte, sondern zunächst einer Wiederbelebung schon vorhandener demokratischer Strukturen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.