Die Hamas-Polizeimiliz soll Lebensmittel und Decken gewaltsam beschlagnahmt haben, die für hunderte arme Familien bestimmt waren. Palästinenser-Präsident Abbas will sich mit der Hamas versöhnen.
Die Vereinten Nationen haben der radikalislamischen Hamas-Organisation im Gazastreifen den Raub von Hilfsgütern vorgeworfen, die für die Zivilbevölkerung bestimmt waren. Ein Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks UNRWA teilte am Mittwoch mit, die Hamas-Polizeimiliz habe am Vortag in einer Hilfsstation im Flüchtlingslager Shatti 3.500 Decken und mehr als 400 Lebensmittelpakete gewaltsam beschlagnahmt. Die Güter seien für hunderte arme Familien in Gaza bestimmt gewesen, hieß es in der Stellungnahme.
Bereits während der am 18. Jänner beendeten dreiwöchigen israelischen Militäroffensive dort hatte es mehrfach Vorwürfe gegeben, Hamas-Milizionäre hätten internationale Hilfsgüter beschlagnahmt. UNWRA hatte sich geweigert, die Ausgabe humanitärer Hilfsgüter in die Hände des von Hamas kontrollierten Wohlfahrtsministeriums zu legen. Ein Großteil der 1,5 Millionen Palästinenser im Gazastreifen hängen von der Hilfe der UN-Organisation ab. "Die Übergabe von Hilfsgütern an Flüchtlinge ist Aufgabe der UNWRA, und wir verurteilten ihre Beschlagnahme aufs Schärfste", erklärte die Organisation am Mittwoch. Es gebe ein striktes System der direkten Verteilung an die Familien.
Abbas: Versöhnung "Priorität"
Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas hat indes die Versöhnung mit der im Gazastreifen herrschenden Hamas und die Errichtung einer palästinensischen Einheitsregierung als "Priorität" bezeichnet. "Wir wollen die nationale Aussöhnung, um die Teilung zu überwinden", sagte Abbas am Mittwoch vor dem Europaparlament in Straßburg. Ohne die Hamas beim Namen zu nennen, sagte Abbas, die palästinensische Autonomiebehörde habe einen Dialog ohne Bedingungen angeboten und akzeptiere das ägyptische Verhandlungsangebot.
Gleichzeitig forderte Abbas die Entsendung von internationalen Friedenstruppen zum Schutz der Palästinenser. "Internationale Friedenstruppen sollten ausgeschickt werden, um unser Volk zu schützen". Es müsse verhindert werden, dass Israel seine "zerstörerische Politik" fortsetze.
Der palästinensische Präsident warf Israel vor, einen "Zerstörungskrieg im Gazastreifen" mit der jüngsten Militäroffensive geführt zu haben. Gleichzeitig führe Israel einen "Siedlungskrieg im Westjordanland und in Jerusalem". Israel dürfe nicht über dem Völkerrecht stehen, verlangte er. Israel wolle das Hauptziel der Palästinenser, ein Ende der israelischen Besatzung und die Schaffung eines eigenen palästinensischen Staates, verhindern, während Gaza noch weiter abgetrennt werde.
Der Gaza-Krieg hat nach Angaben von Abbas mehr als 1.360 Menschenleben und mehr als 5.000 Verletzte gefordert. Davon sei die große Mehrheit unschuldige Zivilisten, darunter viele Kinder, Frauen und Alte, sagte Abbas. Zudem seien 4.000 Wohnhäuser und etwa 20.000 weitere Häuser vollkommen zerstört worden, insgesamt seien 90.000 Menschen in den betroffenen Gebieten ohne Unterkunft. "Der israelische Krieg gegen unser Volk hat die Bemühungen der Palästinenser zunichtegemacht". Abbas beschuldigte Israel außerdem erneut, Phosphorbomben eingesetzt zu haben.
(Ag.)