Sri Lanka: Vorboten eines Untergrund-Krieges

(c) Reuters (Nir Elias)
  • Drucken

Die Regierung gewinnt zwar am Schlachtfeld gegen die Tamilen-Rebellen, doch gegen Terror bleibt die Armee hilflos. Internationalen Aufrufen nach einer Feuerpause trotzt Colombo entschieden.

DELHI. Godapitiya im Süden von Sri Lanka: Eine muslimische Prozession steuert am Dienstagvormittag auf die örtliche Moschee zu. Die Gläubigen begehen den Geburtstag des Propheten Mohammed, der einen Tag zuvor war. Unter ihnen sind mehrere Lokalpolitiker, auch sechs Minister aus der Hauptstadt Colombo sind angereist, um den Feierlichkeiten beizuwohnen. Die Gruppe der Politiker ist kurz davor, die Moschee zu betreten, als eine gewaltige Explosion den feierlichen Umzug zerreißt.

Als sich der Staub der Detonation lichtet, liegen blutüberströmte Tote vor dem Gotteshaus. 46 Menschen sind verletzt, unter ihnen einer der Minister. Am Abend heißt es, dass 14 Menschen ums Leben gekommen sind. Augenzeugen berichten, ein Motorradfahrer habe sich neben den Ministern in die Luft gesprengt. Zwar hat sich bis zum Abend niemand zu der Tat bekannt; doch sie trägt das Markenzeichen der „Black Tigers“, der Selbstmordeinheit der separatistischen „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ (LTTE).

Der Selbstmordanschlag und ein Kamikaze-Luftangriff der LTTE mit zwei Sportflugzeugen auf Ziele in der Hauptstadt Colombo vor knapp zwei Wochen zeigen, dass immer noch LTTE-Kader dazu bereit sind, ihr Leben zu lassen. Es könnten Vorboten eines langen und zähen Guerillakriegs sein.

Tamilen-Rebellen eingekreist

Denn auf dem Schlachtfeld ist die LTTE, die einmal bis zu einem Viertel des Landes erobert hatte, mittlerweile nahezu besiegt. Die Rebellen kontrollieren nur noch ein Areal von etwa 50 Quadratkilometern Größe im Nordosten des Landes. Sie sind eingekreist von 50.000 Soldaten der Regierungsarmee, die ununterbrochen schwere Angriffe unternehmen.

Internationalen Aufrufen nach einer Feuerpause trotzt Colombo entschieden. Dabei sind im Rebellengebiet noch schätzungsweise 150.000 Menschen gefangen. Sie harren Beobachtern zufolge auf einem schmalen Küstenstreifen, den die Regierung einseitig zur „Schutzzone“ ausgerufen hat, in Schützengräben aus. Seit Jänner lässt die Regierung keine Lebensmittel und Medikamente mehr zu den Flüchtlingen durch. Das Internationale Rote Kreuz, das noch einige wenige Mitarbeiter im Kampfgebiet hat, berichtete mehrfach, auch die Schutzzone werde immer wieder schwer beschossen. Die Vereinten Nationen sprechen von tausenden getöteten Zivilisten in den vergangenen Wochen.

Brigadegeneral Udaya Nanayakkara, Sprecher des Verteidigungsministeriums, räumte kürzlich gegenüber der „Presse“ ein, unter den Flüchtlingen gäbe es auch zahlreiche „Familienmitglieder gefallener Kader“, die im Rebellengebiet verbleiben wollten.

Selbstmordanschläge befürchtet

Die Regierung ist in Sorge, Kämpfer und Sympathisanten der Rebellen könnten auch nach dem Ende des konventionellen Krieges ihren Kampf vom Untergrund aus fortsetzen. Die jüngsten Selbstmordanschläge sprechen dafür.

Wie das geschehen könnte, deutet eine vor rund drei Wochen abgegebene Erklärung des Verteidigungsministeriums an: Demnach sei in einem der Lager ein LTTE-Kader entdeckt worden. Dieser habe Sicherheitskräften nach der Befragung ein verstecktes Waffenlager der Rebellen gezeigt. Dann habe er einem Soldaten die Pistole entrissen, sei aber erschossen worden, bevor er Schaden anrichten konnte.

Daher deutet nur wenig darauf hin, dass der Konflikt nach einem Vierteljahrhundert des Krieges wirklich bald vorbei sein wird.

HINTERGRUND.

LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam) sind eine paramilitärische, als terroristisch eingestufte Organisation. Die LTTE kämpft für die Unabhängigkeit des von Tamilen dominierten Nordens und Ostens Sri Lankas vom Rest der Insel, in dem mehrheitlich Singhalesen leben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.