Atomstreit mit Iran: Der Wiener Minimalkompromiss

(c) REUTERS (POOL)
  • Drucken

Die fünf Vetomächte und Deutschland brachten im Palais Coburg neuerlich kein Atomabkommen mit dem Iran zustande. Sie verlängerten die Verhandlungsfrist ein weiteres Mal, diesmal bis 1. Juli 2015.

Wien. Im großen Zelt vor dem Wiener Palais Coburg gab am Montag die Heizung den Geist auf. Die Journalisten warteten mit Jacke, Haube, Handschuh und dicht beieinander gepackt auf US-Außenminister John Kerry. Der kam am späten Nachmittag und wunderte sich: „Ist es wirklich so kalt?“

Kerry hatte den ganzen Montag – wie auch die Tage zuvor – weitgehend in geschlossenen Räumen verbracht. Das Ergebnis der Atomverhandlungen mit dem Iran, das er am Montag präsentierte, war aber kein fertig gezimmerter Deal: Statt eines „Wiener Abkommens“ gab es nur einen Minimalkompromiss mit neuerlicher Verschiebung einer grundsätzlichen Lösung, so wie in den vergangenen Jahren im Grunde auch. Kerry übte sich dennoch in Zweckoptimismus. Er erinnerte daran, dass Iran zumindest seit November 2013, seit dem Genfer Zwischenabkommen im Atomstreit, sein Atomprogramm großteils eingefroren habe. Die Welt sei sicherer als damals.

Eine gesichtswahrende Formel

Aber trotz des „substanziellen Fortschrittes“ in Wien einigte sich die „5+1“-Verhandlungsgruppe (UN-Vetomächte plus Deutschland) mit dem Iran nur darauf, die Frist für die Beilegung des zwölf Jahre alten Konflikts wieder um sieben Monate, bis Juli 2015, zu erstrecken. Es ist die Verlängerung der Verlängerung, nachdem das als Durchbruch gefeierte Genfer Interimsabkommen vom 24. November 2013 diesen Juli bis auf den gestrigen Tag ausgedehnt worden war. Vorerst soll im Dezember auf technischer Ebene weiterverhandelt werden – wohl im Oman. Die politischen Gespräche könnten, wird spekuliert, wieder in Wien stattfinden. Laut Kerry soll eine grundsätzliche politische Übereinkunft in den nächsten vier Monaten erzielt werden.

Es ist eine gesichtswahrende Formel, auf die sich die Verhandler geeinigt haben, wiewohl der britische Außenminister Philip Hammond eine „Enttäuschung“ einräumte. Er sprach aber auch – wie sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow und Deutschlands Frank-Walter Steinmeier – von „einem Momentum“ in den Verhandlungen. Irans Präsident Hassan Rohani wandte sich (man sieht, wie wichtig das Thema für das Land ist) per TV an seine Landsleute. „Das Licht ist hell“, sagte er, „ein endgültiger Durchbruch wird gemeinsam mit der iranischen Bevölkerung erzielt.“ Man werde nie auf das Recht auf Urananreicherung verzichten. Rohanis Rede klang ein wenig nach Besänftigung der Bevölkerung, die ob der ausländischen Sanktionen wegen des iranischen Atomprogramms seit Jahren leidet.

In Wien scherzten indes die Journalisten aus dem Iran, dass aufgrund der Verhandlungen in Wien ohnehin kein Kollege mehr in Teheran sei. Tatsächlich waren viele Medienleute aus der Islamischen Republik angereist; das Land könne die Sanktionen nicht mehr ertragen, hieß es im Zelt, während nur ein paar Meter weiter eine kleine, aber laute Demo gegen das iranische Regime stattfand.

Die angeblichen Insider

Wie weit die Gespräche tatsächlich fortgeschritten sind, bleibt offen. Kerry forderte Geduld: Viele angebliche Insider wüssten nicht, wovon sie redeten. Fest stehe nur, dass über „technische Feinheiten“ geredet werden müsse, so Deutschlands Außenminister, als ihn die Journalisten vor dem Palais einfingen. Die 5+1-Verhandlungsgruppe will sicherstellen, dass der Iran keine Atombombe bauen kann. Die Verhandlungen drehen sich etwa um die Intensität der Kontrollen von Irans vorgeblich zivilem Atomprogramm sowie um die Zahl der Zentrifugen, mit denen hochangereichertes (für den Bau von Kernwaffen verwendbares) Uran erzeugt werden kann. Aus iranischer Sicht hakt es in den Verhandlungen an fehlender Bereitschaft des Westens, die Sanktionen sofort aufzuheben.

Wie berichtet will die 5+1-Gruppe die Strafmaßnahmen nur stufenweise suspendieren, damit sie jederzeit wieder in Kraft gesetzt werden können, falls der Iran das Abkommen bricht. Derweil sollen monatlich 560 Millionen Euro an eingefrorenen iranischen Geldern freigegeben werden. Im Gegenzug bleibt das Atomprogramm – wie im Genfer Vertrag vereinbart – vorerst eingefroren.

(strei/duö)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Leitartikel

Elf Jahre Anlaufzeit hätten für einen Iran-Atomdeal reichen müssen

Besser gar kein Abkommen als ein schlechtes, besser weiterverhandeln als eine Krise: So reden sich Zarif, Kerry und Co. ihren Wiener Atomflop schön.
Außenpolitik

Die unendliche Geschichte: Erklärung des Atomstreits in sechs Punkten

Als im Sommer 2002 iranische Oppositionelle aufdeckten, dass das Mullahregime ein geheimes Atomprogramm betreibe, glaubten wenige, dass das Thema die Welt über ein Jahrzehnt beschäftigen würde.
Außenpolitik

Die Moderatorin: Lady Ashton und die Bombe

Die Britin hat sich das Vertrauen der arabischen Welt hart erarbeitet, jetzt möchte sie die Verhandlungen weiterführen.
Außenpolitik

Analyse: Die Angst der Saudis vor einem Erstarken des Iran

Die Golfstaaten plagt die Horrorvision einer iranischen A-Bombe. Doch auch ein Frieden Teherans mit den USA ist nicht in ihrem Interesse.
U.S. Secretary of State Kerry arrives for a meeting in Vienna
Außenpolitik

Keine Einigung beim Atomgipfel in Wien

Der US-Außenminister plant Abflug am Nachmittag. Die Frist für ein Abkommen mit dem Iran wird bis Ende Juni 2015 verlängert.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.