Nahost: Israel hält Gelder der Palästinenser zurück

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Weil die Palästinenserführung um den Beitritt zum Internationalen Strafgerichtshof angesucht hat, verhängt Israels Regierung Strafmaßnahmen. Die Palästinenser bereiten bereits eine Klage wegen Kriegsverbrechen vor.

Jerusalem. Der Machtkampf zwischen Israels Regierung und der palästinensischen Führung spitzt sich weiter zu. Seit dem Wochenende hält Israel die palästinensischen Zoll- und Steuergelder zurück, die es sonst monatlich an die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) in Ramallah überweist. Aus Sicht der israelischen Regierung ist das eine Strafmaßnahme dafür, dass Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas das sogenannte Rom-Statut – die vertragliche Grundlage des Internationalen Strafgerichtshofs – unterzeichnet hat. Rijad Mansur, palästinensischer Botschafter in New York, reichte am Wochenende den Mitgliedsantrag ein. Mansur berichtete, dass die Palästinenser bereits eine erste Klage gegen Israel wegen Kriegsverbrechen während des Gaza-Krieges im Sommer vorbereitet hätten. Bis zur Aufnahme beim Internationalen Strafgerichtshof dürften jedoch noch mindestens zwei Monate vergehen.

Umgerechnet rund 100 Millionen Euro bezieht die PA aus der Mehrwertsteuer sowie den Importzöllen für ausländische und israelische Waren. Israel ist durch frühere Abkommen dazu verpflichtet, die Gelder, mit denen die Autonomiebehörde den Großteil der Gehälter für die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst finanziert, einzutreiben und nach Ramallah abzuführen. Das Einfrieren der Zölle ist eine regelmäßig wiederkehrende israelische Strafmaßnahme, die jedes Mal eintritt, wenn die Palästinenser vor die UNO ziehen oder die Mitgliedschaft bei UN-Institutionen beantragen. In der Regel dauert das Zurückhalten der Gelder nie länger als ein paar Wochen. Ein Bankrott der PA ist nicht im israelischen Interesse.

Abbas verliert an Vertrauen

Israels Premier Benjamin Netanjahu will sich mit den finanziellen Sanktionen allein nicht zufriedengeben. Er will seinerseits Abbas wegen dessen Bündnis mit der „terroristischen“ Hamas vor Gericht stellen. Die frühere israelische Oppositionschefin Scheli Jechimowitsch (Arbeitspartei) warnte vor einem Zusammenbrechen der PA, was „nur den Boden für radikalere Kräfte bereiten würde“. Auch Justizministerin Zipi Livni hält nichts von den Maßnahmen.

Abbas musste damit rechnen, dass Israel auch den US-Kongress dazu bewegt, die Finanzhilfe einzustellen. Laut Umfragen verlieren die Palästinenser zunehmend das Vertrauen in ihren Präsidenten. Würden heute Wahlen stattfinden, hätte Hamas-Chef Ismail Hanijeh deutlich bessere Chancen als Abbas. „Seit dem Gaza-Krieg hält eine Mehrheit der Palästinenser den gewaltsamen Widerstand wieder für die effektivste Methode, um ein Ende der Besatzung herbeizuführen“, berichtet der palästinensische Meinungsforscher Khalil Shkaki vom Forschungszentrum für Politik und Umfragen in Ramallah. „Der Boden für eine neue Gewaltwelle ist sehr fruchtbar.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2015)

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