AfD: Revolte gegen die One-Man-Show des Kontrollfreaks

Participants use lights on their portable phones as they take part in a demonstration called by anti-immigration group PEGIDA, a German abbreviation for 'Patriotic Europeans against the Islamization of the West', in Dresden
Participants use lights on their portable phones as they take part in a demonstration called by anti-immigration group PEGIDA, a German abbreviation for 'Patriotic Europeans against the Islamization of the West', in DresdenREUTERS
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Pegida-Demonstrationen in Dresden verschaffen der rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland (AfD) Auftrieb. Sie sympathisiert offen mit der Bewegung.

Wien/Berlin. In ihrer Kritik an der Kanzlerin waren Bernd Lucke und Alexander Gauland, die beiden Antipoden der rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland (AfD), völlig einer Meinung. „Frau Merkel stempelt die Menschen als fremdenfeindlich ab, ohne ihnen Gehör zu schenken“, urteilte Lucke, Gründungsvater der AfD und selbst ernannter Primus inter Pares unter den drei Sprechern der Protestpartei. Gauland warf der Kanzlerin in ähnlichem Tenor vor: „Sie verurteilt Menschen von oben herab, die sie gar nicht kennt.“

Die Parteirivalen bezogen sich auf Merkels Neujahrsansprache, in der die deutsche Regierungschefin explizit vor den Organisatoren der Montagsmärsche der Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) und deren Hetzparolen gewarnt und wofür sie quer durchs Parteienspektrum fast einhellig Zustimmung geerntet hatte. Ganz vereinzelt freilich regte sich auch Kritik aus dem eigenen rechtskonservativen Lager, das der Kanzlerin vorhält, den rechten Rand preiszugeben und das Terrain kampflos der AfD zu überlassen.

Plausch im Landtagsbüro

Die Alternative für Deutschland betrachtet die Pegida-Anhänger als natürliche Bündnispartner, Gauland und Co. sympathisieren offen mit der Bewegung und ihren politischen Zielen. Frauke Petry, die Vorzeigefrau im Führungstrio der AfD und ihre Partei- und Fraktionschefin in Sachsen, lädt die Spitze des Pegida-Teams in Dresden um Lutz Bachmann und Kathrin Oertel heute denn auch zu einem politischen Plausch in ihr Büro in den Landtag der sächsischen Hauptstadt.

Gemeinsam mit Gauland, einem früheren CDU-Staatssekretär in Hessen und Herausgeber der „Märkischen Allgemeine“, und dem streitbaren Publizisten Konrad Adam, einem einstigen Feuilleton-Redakteur bei „FAZ“ und „Welt“, hatte Volkswirtschaftsprofessor Lucke die Partei ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl 2013 aus der Taufe gehoben. Auf Anhieb scheiterten sie nur knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. Bei der Europawahl im Vorjahr und erst recht danach bei den Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern Brandenburg, Thüringen und Sachsen, wo sie fast überall die Zehn-Prozent-Marke übersprang, setzte die AfD ihren Siegeszug fort. Merkel zog unterdessen eine rote Linie zu den Rechtspopulisten: Sie untersagte ihren Parteifreunden im Osten eine Koalition mit der AfD.

Zwist und Geburtswehen

Geburtswehen begleiten die neue Partei von Anfang an: Es tobt ein Zwist um die Führungsstruktur, neuerdings auch ein Richtungsstreit, und immer wieder sorgen rechte Irrläufer für Irritationen. Gegründet als monothematische Anti-Euro-Partei, die den Austritt Deutschlands aus der gemeinsamen EU-Währung auf ihre Fahnen geheftet hat, stellt sich die Protestpartei inzwischen auf ein breiteres Fundament. Bernd Lucke schwang sich zum Spitzenkandidaten und Vordenker mit autoritären Zügen auf, gerät allerdings als EU-Abgeordneter in Brüssel zunehmend ins Abseits. Seine Mitstreiter sind die ständigen Ordnungsrufe und die One-Man-Show des Professors leid, der ihnen als „Kontrollfreak“ gilt.

In einem Brief kritisierten Gauland, Petry und Adam die „Gutsherrenart“ Luckes. Unterstützt von Hans-Olaf Henkel, einem ehemaligen FDP-Parteigänger und Ex-Präsidenten der deutschen Industrie, strebt Lucke beim Bremer Parteitag Ende Jänner den alleinigen Vorsitz an, derweil plädieren die Ko-Sprecher Petry und Adam für die Beibehaltung des Status quo. Während die FDP beim traditionellen Dreikönigstreffen in Stuttgart einen Neustart forciert und die CSU bei ihrer Klausur in Wildbad Kreuth ihr Profil schärfen will, schlossen die AfD-Granden kurzfristig Frieden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2015)

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