Islamisten drohen Frankreich mit weiterer Gewalt

Reuters
  • Drucken

Ein al-Qaida-Ableger warnt in einem Video vor Anschlägen in Frankreich. Paris will die Sicherheitsmaßnahmen verstärken, die Regierung hält an der höchsten Terrorwarnstufe fest.

Nach den Anschlägen von Islamisten im Großraum Paris hat der Ableger des Terrornetzwerks al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) mit weiterer Gewalt in Frankreich gedroht. "Ihr werdet nicht mit Sicherheit gesegnet sein, so lange ihr Allah, seinen Verkünder und die Gläubigen bekämpft", sagte ein ranghoher Vertreter der AQAP in einem Video.

Die französische Regierung hält nach der Anschlagsserie an der höchsten Terrorwarnstufe im Großraum Paris fest. Die höchste Sicherheitsstufe des Anti-Terror-Plans Vigipirate werde beibehalten, sagte Innenminister Bernard Cazeneuve am Samstag nach einer erneuten Krisensitzung unter Leitung von Staatschef Francois Hollande in Paris. Die Sicherheitsmaßnahmen sollten sogar noch verstärkt werden. "Wir sind in Anbetracht der Umstände Risiken ausgesetzt", sagte Cazeneuve. "Deswegen behalten wir die Mobilisierung aller Mittel bei (...) und verstärken sie noch, um die Sicherheit einer Reihe von Institutionen und religiöser Stätten noch besser gewährleisten zu können."

Video: "Propheten respektlos behandelt"

Das alQaida-Video wurde am Freitag von dem auf die Beobachtung islamistischer Websites spezialisierten US-Unternehmen SITE veröffentlicht. Die beiden Brüder Cherif und Said Kouachi, die den Anschlag auf die französische Satirezeitung "Charlie Hebdo" verübten, sollen Verbindungen zur AQAP gehabt haben.

"Einige der Söhne Frankreichs haben die Propheten Allahs respektlos behandelt", sagte Harith bin Ghazi al-Nadhari, den SITE als einen der führenden Verantwortlichen für die religiösen Scharia-Gesetze bei der AQAP beschrieb, in dem Video. Also habe eine Gruppe von "treuen Soldaten Gottes" den Franzosen "Respekt und die Grenzen der Meinungsfreiheit gelehrt". Frankreich gehöre zu den führenden Kräften des Unglaubens, setzte Nadhari fort. "Es beleidigt die Propheten, setzt die Religion herab und bekämpft die Gläubigen."

Das gut fünf Minuten lange Video wurde laut SITE am Freitag ins Internet gestellt - wenige Stunden, nachdem Cherif und Said Kouachi von der Polizei getötet worden waren. Die Brüder hatten am Mittwoch ein Blutbad bei der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" angerichtet - insgesamt zwölf Menschen erschossen sie dort und auf ihrer Flucht. Offenbar wollten sie sich für Karikaturen des Propheten Mohammed in der Satirezeitung rächen.

Cherif Kouachi sagte dem französischen Sender BFMTV, er sei von AQAP beauftragt und finanziert worden. Nach einer Geiselnahme am Freitagmorgen in dem Ort Dammartin-en-Goele wurden er und sein Bruder am frühen Abend von Elitepolizisten erschossen.

Ein islamistischer Gesinnungsgenosse der beiden tötete am Donnerstag am südlichen Stadtrand von Paris eine Polizistin. Er nahm am Freitag in einem jüdischen Supermarkt im Osten von Paris mehrere Menschen als Geiseln. Bei der Erstürmung nach dem Showdown in Dammartin-en-Goele erschoss die Polizei den Mann. Vier weitere Menschen wurden bei der Geiselnahme getötet.

Vier Geiseln tot

Die vier starben laut Behördenangaben schon vor der Befreiungsaktion der Polizei. Die Geiseln seien "wahrscheinlich" erschossen worden, als der islamistische Geiselnehmer zu Mittag in das Geschäft stürmte, sagte der Pariser Staatsanwalt Francois Molins am Freitagabend. Auch der Geiselnehmer Amedy Coulibaly hatte in einem Telefongespräch mit dem Nachrichtensender BFMTV am Freitagnachmittag gegen 15.00 Uhr schon von vier Toten gesprochen. Laut Molins hatte Coulibaly mehrere Schusswaffen und große Mengen Sprengstoff bei sich. Die Kouachi-Brüder und Coulibaly kannten sich offenbar und hatten ihre Taten vermutlich abgesprochen.

Staatsanwalt Molins gab am Freitagabend weitere Details zu der Jagd nach Cherif und Said Kouachi nach deren Angriff auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" bekannt. Demnach wurde der 34-Jährige Said Kouachi bereits am Freitagvormittag leicht am Hals verletzt, als es auf einer Nationalstraße einen Schusswechsel mit Polizisten gab. Anschließend verschanzten sich die Brüder in der Druckerei in der Gemeinde Dammartin-en-Goele nahe dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle. Sie nahmen zunächst den Geschäftsführer der Druckerei als Geisel, ließen ihn aber später gehen, wie Molins sagte. Ein Mitarbeiter des Unternehmens versteckte sich vor den Islamisten und blieb unentdeckt.

"Kurz vor 17.00 Uhr öffnet sich die Eingangstür im Erdgeschoß des Unternehmens für mehrere Minuten um 15 Zentimeter", fuhr Molins in der Schilderung fort. "Dann kommen die beiden Brüder mit Sturmgewehren heraus und schießen in Richtung der Ordnungskräfte." Die Eliteeinheiten hätten zunächst versucht, die Islamisten mit nicht tödlichen Granaten außer Gefecht zu setzen. Da die "beiden Terroristen" aber weiter gefeuert hätten, hätten die Polizisten sie "neutralisieren" müssen und erschossen.

Ermittler suchen nach Hintermännern

Nun suchen die französischen Ermittler nach möglichen Hintermännern der drei getöteten islamistischen Attentäter. Fünf Personen seien in Polizeigewahrsam, sagte Molins. Die Freundin von Coulibaly sei noch nicht gefasst. Die Fahnder wollen herausfinden, woher die Waffen der Terroristen stammten und ob die Männer Anweisungen erhielten, "aus Frankreich, dem Ausland oder dem Jemen", wie der Staatsanwalt sagte.

Die Verantwortung für den Anschlag auf "Charlie Hebdo" hat Nadhari in der Video-Botschaft nicht übernommen. Ein auf die Al-Kaida spezialisierter Journalist aus dem Jemen sagte, es gebe bisher keinen klaren Hinweis auf eine direkte Beteiligung der AQAP an dem Attentat auf "Charlie Hebdo". Es sei aber klar, dass sie die "geistige Inspiration" dafür gegeben habe.

>> Was tun gegen Radikalisierung? Diskutieren Sie mit im Themenforum

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.