Türkei: Gericht verbietet Mohammed-Karikatur

Copy of  latest edition of Charlie Hebdo is seen with U.S. newspapers at Newseum in Washington
Copy of latest edition of Charlie Hebdo is seen with U.S. newspapers at Newseum in Washington(c) Reuters (GARY CAMERON)
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Die Zeitung „Cumhuriyet“ druckte Zeichnungen aus „Charlie Hebdo“ ab. Justiz wurde aktiv.

Istanbul. Die Verbreitung der neuen Islam-Karikaturen der Pariser Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ in der Türkei hat am Mittwoch wütende Reaktionen islamistischer Kreise und eine Verbotsentscheidung der Justiz ausgelöst. Als Zeichen der Solidarität mit den Opfern der Terrorwelle in Frankreich veröffentlichte die Istanbuler Oppositionszeitung „Cumhuriyet“ vier Seiten der neuen Ausgabe des Satiremagazins. Zwei Kolumnisten von „Cumhuriyet“ fügten ihren Beiträgen außerdem Bilder vom besonders heiklen Titelblatt von „Charlie Hebdo“ mit der Mohammed-Karikatur hinzu.

Ein türkisches Gericht ordnete am Nachmittag ein Verbreitungsverbot für die Mohammed-Zeichnung an. Internetseiten, die das Porträt zeigten, sollten der Entscheidung zufolge gesperrt werden. Auch die türkische Regierung kritisierte die Veröffentlichungen. Diese seien „offene Hetze“, so Vizepremier Yalçin Akdoğan.

„Cumhuriyet“ verfolgt eine strikt säkulare Linie und ist ein Sprachrohr der Kritiker der islamisch-konservativen Regierung in Ankara. Die Zeitung begründete den Abdruck der neuen „Charlie Hebdo“-Zeichnungen mit dem Hinweis auf die Meinungsfreiheit und mit der Solidarität mit der Pariser Zeitschrift nach den Terroranschlägen der vergangenen Woche.

Polizei übersieht Zeichnung

Nach Angaben der Istanbuler Zeitung kontrollierte die Polizei in der Nacht die neue Ausgabe von „Cumhuriyet“ und verhinderte vorübergehend die Auslieferung des Blattes. Erst nachdem die Beamten der Staatsanwaltschaft gemeldet hatten, dass der Mohammed-Titel von „Charlie Hebdo“ nicht unter den von der Istanbuler Zeitung nachgedruckten Auszügen war, durfte die Auslieferung weitergehen. Die Polizei übersah bei der Kontrolle offenbar die Kolumnen von Hikmet Çetinkaya und Ceyda Karan, in denen das Mohammed-Titelbild abgedruckt war.

Die Polizeiaktion gegen „Cumhuriyet“ traf bei der Opposition auf scharfe Kritik. Die Partei CHP sprach von Zensur und einem illegalen Einsatz der Polizei, da keine Genehmigung von einem Staatsanwalt oder einem Richter vorgelegen habe. Der regierungskritische Journalist Cengiz Çandar schrieb auf Twitter, mit dem Polizeieinsatz hätten die Behörden die versöhnliche Botschaft konterkariert, die von der Teilnahme von Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu am Pariser Trauermarsch am vergangenen Sonntag ausgegangen sei. Auch die CHP erklärte, Davutoğlu habe bei seinem Besuch in Paris noch vor wenigen Tagen die Bedeutung der Meinungsfreiheit herausgestrichen.

Vor dem Redaktionsgebäude von „Cumhuriyet“ in Istanbul fuhren am Mittwoch gepanzerte Fahrzeuge der Polizei auf. Beamte sperrten die Straße für den Verkehr. Laut einer Meldung der offiziellen Nachrichtenagentur Anadolu wollten die Behörden damit mögliche Proteste gegen die Zeitung verhindern „Charlie Hebdo“-Rezension S.23

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2015)

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