Fall Badawi wird Lackmustest für das Abdullah-Zentrum

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AUSTRIA SAUDI BLOGGER FLOGGING PROTEST(c) APA/EPA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Österreichs Staatsspitze bittet um Begnadigung des Bloggers Badawi. Auspeitschung auf nächsten Freitag verschoben.

Wien/Riad. Der Blogger Raif Badawi beschäftigt die österreichische Staatsspitze. Außenminister Sebastian Kurz versprach, alle Register zu ziehen, um eine Begnadigung des 31-jährigen saudiarabischen Liberalen zu erreichen, der wegen „Beleidigung des Islam“ zu 1000 Peitschenhieben und zehn Jahren Haft verurteilt worden war. Kurz telefonierte in der Angelegenheit mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini, dem jordanischen UN-Menschrechtskommissar Zaid Raad al-Hussein und dem saudischen Vize-Außenminister Abdulaziz bin Abdullah bin Abdulaziz al-Saud. „Wir lassen nicht locker“, sagte er zur APA.

Präsident Heinz Fischer hatte bereits am Mittwoch Saudiarabiens Vize-Premier und Verteidigungsminister Salman bin Abdulaziz al-Saud in einem Brief um Milde gebeten. Und zwei Tage zuvor hatte er dem saudiarabischen Botschafter, Mohammed al-Salloum, der Wien übrigens bald verlassen wird, persönlich mitgeteilt, wie sehr das Schicksal von Badawi die Möglichkeiten des Dialogs beeinträchtige. Dazwischen, am Donnerstag, erhielt al-Salloum Post von Bundeskanzler Werner Faymann. „Das Auspeitschen widerspricht der UN-Folterkonvention, die auch Saudiarabien ratifiziert hat“, hieß es in dem Protestschreiben.

Freitag um die Mittagszeit kam dann die Nachricht aus Saudiarabien, dass die nächsten 50 Hiebe für Raif Badawi verschoben worden seien. Aus „medizinischen Gründen“, wie Amnesty International berichtete. Ein Arzt habe festgestellt, dass die Wunden der ersten Auspeitschungsrunde vom vergangenen Freitag noch nicht verheilt seien, und deshalb eine Aussetzung der Strafe um eine Woche empfohlen. Badawi soll jeden Freitag 50 Peitschenhiebe erhalten, bis das Strafmaß von 1000 erreicht ist.

Ob der Aufschub auf die internationalen Interventionen zurückzuführen oder tatsächlich medizinisch indiziert ist, blieb unklar. Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Tanja Windbüchler, sprach jedenfalls von einem „ersten Zwischenerfolg des zivilgesellschaftlichen Engagements“.

SPÖ attackiert Kurz

Der Fall erregt in Österreich deshalb so viel Aufmerksamkeit, weil er zum Lackmustest für das von Saudiarabien finanzierte König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog in Wien stilisiert wurde. Die internationale Organisation, der außer Saudiarabien auch Österreich und Spanien als Mitglieder sowie der Vatikan als Beobachter angehören, ist zum innenpolitischen Spielball geworden. Auch die Regierungspartei SPÖ scheint ein Thema identifiziert zu haben, um dem Überflieger in Sympathie-Umfragen, Sebastian Kurz, zu schaden. Am Freitag griff SP-Klubobmann Andreas Schieder den VP-Außenminister an und rief ihn auf, schon im März eine „Evaluierung“ des Abdullah-Zentrums durchzuführen. Davor hatten Faymann und Kanzleramtsminister Ostermayer, die beide das Dialogzentrum vor drei Jahren mitbeschlossen haben, unverblümt für einen Ausstieg Österreichs plädiert.

Kurz hat nun eine Achse mit dem Bundespräsidenten und Kardinal Schönborn gebildet. Fischer stellte sich am Mittwoch ebenso wie der Erzbischof klar hinter das Dialogzentrum. Der Außenminister selbst will offenbar nicht allzu deutlich als Verteidiger in Erscheinung treten, um keine innenpolitische Angriffsfläche zu bilden. Im Hintergrund arbeiten seine Diplomaten jedoch fieberhaft an einer Offensivstrategie. Sie wollen weitere Mitgliedstaaten an Bord des Zentrums holen. Interesse haben angeblich Japan, Argentinien, Indonesien und Großbritannien signalisiert. Doch einen schnellen Befreiungsschlag erwartet niemand. Priorität hat nun die Begnadigung Badawis.

Über andere Fälle redet übrigens kaum jemand. Am Montag wurde eine Burmesin, die wegen sexuellen Missbrauchs und Mordes an ihrer siebenjährigen Stieftochter verurteilt worden war, durch die Straßen von Mekka gezerrt und geköpft. Bevor sie der dritte Schwerthieb endlich tötete, schrie Laila Bint Abdul Muttalib Bassim verzweifelt: „Ich habe nicht gemordet, ich habe nicht gemordet.“ (APA, cu)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2015)

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