Deutschland: Präsident Köhler stimmt auf harte Zeiten ein

Horst Koehler
Horst Koehler(c) REUTERS (Pool)
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Der deutsche Präsident Horst Köhler übt scharfe Kritik an den Exzessen der Finanzmärkte und erntet dafür großen Beifall aus allen Parteien. Kanzlerin Merkel nennt seine Ansprache "beeindruckend".

Der deutsche Bundespräsident Horst Köhler hat die Exzesse der Finanzmärkte scharf verurteilt und ein radikales Umdenken gefordert. In seiner vierten Berliner Rede stimmte Köhler die Deutschen am Dienstag auf harte Zeiten ein. Nötig sei jetzt ein starker Staat, der Regeln durchsetze. Union und SPD warnte er davor, die Wirtschafts- und Finanzkrise als "Kulisse für Schaukämpfe" zu missbrauchen. Der Auftritt fand Zustimmung über alle Parteigrenzen hinweg.

Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte die Rede als "beeindruckend". Die Exzesse der Märkte hätten die Gesetze der Märkte außer Kraft gesetzt, das Gemeinwohl sei partiell auf der Strecke geblieben, sagte die Kanzlerin. Dies habe das Staatsoberhaupt eindrucksvoll beschrieben.

SPD-Fraktionschef Peter Struck sprach von einer "beachtlichen Rede", FDP-Chef Westerwelle nannte sie "zukunftsweisend". CDU und CSU werteten die Ansprache als Beweis dafür, dass Köhler der richtige Präsident für Deutschland sei. Selbst Linkspartei und Grüne zollten dem Staatsoberhaupt Respekt. SPD-Herausforderin Gesine Schwan kündigte an, sie werde demnächst ihre eigenen Positionen zur Krise darlegen. Sie tritt am 23. Mai bei der Bundespräsidentenwahl gegen Köhler an.

"Bewährungsprobe für die Demokratie"

Das Staatsoberhaupt bezeichnete die Wirtschafts- und Finanzkrise als "Bewährungsprobe für die Demokratie". Die Arbeitslosigkeit werde deutlich steigen. Der Markt allein könne die Dinge nicht richten. Nötig sei eine neue Finanzmarktordnung, die bessere Regeln, effektive Aufsicht und wirksame Haftung garantiere. "Der Markt braucht Regeln und Moral."

Der deutsche Bundespräsident appellierte an die Bürger, sich neue Ziele zu setzen, auf Nachhaltigkeit zu achten und Sparsamkeit als Ausdruck von Anstand zu verstehen. "Wir dürfen uns nichts vormachen: Die kommenden Monate werden sehr hart", sagte Köhler vor rund 300 Gästen in der Berliner Elisabethkirche. "Wir werden Ohnmacht empfinden und Hilflosigkeit und Zorn. Aber es gab auch noch nie eine Zeit, in der unser Schicksal so sehr in unseren eigenen Händen lag wie heute."

Gerade in der Krise bestätige sich der Wert der Sozialen Marktwirtschaft. Dass nun auch US-Präsident Barack Obama für sein Land eine Ordnung anstrebe, die in Grundzügen dem deutschen Modell der Sozialen Marktwirtschaft ähnle, zeige: "Die Deutschen haben etwas anzubieten beim Aufarbeiten der Krise."

Lob für Regierung und Bundestag

Lob zollte der Präsident dem Krisenmanagement der Großen Koalition. "Bundesregierung und Bundestag haben in den vergangenen Monaten Handlungsfähigkeit bewiesen und kurzatmigen Aktionismus vermieden", sagte er. Auch wenn niemand zurzeit fertige Rezepte habe, könnten die Deutschen darauf vertrauen: "Die eingeschlagene Richtung stimmt." Die Großen Koalition forderte er zur Geschlossenheit auf: Auch vor einer Bundestagswahl gebe es "keine Beurlaubung von der Regierungsverantwortung".

Schwan begrüßte die Rede, ohne sie inhaltlich zu bewerten: "Das ist eine Stellungnahme, auf die viele lange gewartet haben", erklärte die SPD-Kandidatin. Sie werde demnächst eine eigene Antwort auf die weltweite Krise geben. Für sie stehe fest, dass es sich nicht nur um eine ökonomische, sondern eine kulturelle Krise handle.

(Ag.)

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