Israel will Weltstrafgericht abschaffen

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Israels Regierung ist erzürnt über Vorermittlungen zu möglichen israelischen Verbrechen in den Palästinensergebieten.

Jerusalem. Die israelische Regierung ist erzürnt: Dass der Internationale Strafgerichtshof (ICC) Vorermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen gegen Israel aufnehmen will, sei ein Grund, den Gerichtshof abzuschaffen, protestiert Außenminister Avigdor Lieberman. „Dieses Gremium repräsentiert niemanden. Es ist ein politisches Organ und sollte abgeschafft werden“, tobte er im Radio.

Bei den Palästinensern im Westjordanland und im Gazastreifen herrscht hingegen Genugtuung. Die Entscheidung der Chefklägerin, Fatou Bensouda, in Den Haag folgte dem Antrag von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas zur Aufnahme Palästinas.

Freunde sollen nicht zahlen

Gegenstand der Vorermittlung wird zunächst der Gazakrieg im vergangenen Sommer sein, in dessen Verlauf über 2000 Palästinenser den Tod gefunden haben. Aus Unmut über das Gericht in Den Haag will sich Lieberman bei westlichen Mitgliedern dafür starkmachen, dass sie die Finanzierung des Strafgerichtshofs einstellen. „Wir werden unsere Freunde in Kanada, in Australien und in Deutschland auffordern, die Zahlungen schlicht einzustellen“, sagte er.

Sharon Pardo, Jurist und Dozent für Internationale Beziehungen an der Ben-Gurion-Universität in Beerschewa, hält den Aufruf Liebermans für einen symbolischen Akt. Selbst wenn sich Staaten mit Israel solidarisieren sollten, „findet der Internationale Strafgerichtshof sicher schnell andere Geldgeber“. Pardo rechnet mit Klagen gegen Militärs und israelische Siedler.

Abbas hatte das Statut des Gerichtshofs vor zwei Wochen unterzeichnet, bis April soll der Aufnahmeantrag ratifiziert werden. Ziel der Palästinenser ist, den Konflikt, der auf bilateraler Ebene seit Jahren in einer Sackgasse steckt, auf die internationale Bühne zu verlagern. Israel ist selbst nicht Mitglied beim Internationalen Strafgerichtshof und kann als Staat nicht zur Verantwortung gezogen werden. Denkbar sind aber Klagen gegen Einzelpersonen. Umgekehrt kann das Gericht allerdings auch völkerrechtswidriges Verhalten auf palästinensischer Seite verfolgen, wie die Raketenangriffe der Hamas auf israelische Zivilisten.

Als grotesk bezeichnete Benjamin Netanjahu, Israels Premier, die Entscheidung des ICC, der „internationales Recht und Abkommen ignoriert, die festhalten, dass die Palästinenser keinen Staat haben und ihn nur über Verhandlungen mit Israel bekommen können“. Gerade Israel komme den „höchsten Anforderungen des internationalen Rechts“ nach, fügte Netanjahu hinzu, während „palästinensische Terroristen routinemäßig zahlreiche Kriegsverbrechen begehen“. Er erinnerte daran, dass das Tribunal gegründet wurde, um die Wiederholung der schlimmsten Kriegsverbrechen zu verhindern, „allen voran des Völkermords an sechs Millionen Juden“.

„Schritt hin zur Gerechtigkeit“

Die Palästinenser betrachten die geplanten Vorermittlungen hingegen als einen „wichtigen positiven Schritt hin zur Gerechtigkeit“. Die Verbrecher zur Verantwortung zu ziehen bedeute „die Opfer zu ehren und andere davor zu schützen, in der Zukunft Opfer zu werden“. Die Mitgliedstaaten des ICC stünden unter der „moralischen Verpflichtung“, sich für ein „Ende der Besatzung“ einzusetzen.

AUF EINEN BLICK

Der Internationale Strafgerichtshof hat vorläufige Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen während des Gaza-Krieges in Palästina aufgenommen. Die Entscheidung war durch den Beitritt Palästinas zum Grundlagenvertrag möglich geworden. Israel forderte daraufhin die Abschaffung des Weltstrafgerichts, auch die USA reagierten empört.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2015)

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