Alberto Nisman untersuchte Attentat auf jüdische Gemeinde in Buenos Aires von 1994 und warf Argentiniens Staatschefin Vertuschung vor. Er wurde nun tot aufgefunden.
Buenos Aires. Alberto Nisman hatte offenbar eine Vorstellung von den Folgen seiner Vorwürfe: „Das kann mich mein Leben kosten“, sagte der argentinische Sonderstaatsanwalt vorige Woche in einem Interview. Am Sonntagnachmittag fand ihn seine Mutter tot im Badezimmer, erschossen. Er ist durch einen Kopfschuss ums Leben gekommen. Das ergab die Autopsie des Leichnams, wie die staatliche Nachrichtenagentur Télam am Montag unter Berufung auf Justizkreise berichtete. Der Körper des 51-Jährigen blockierte die Tür. Als sie aufgebrochen wurde, fand man neben der Leiche eine Pistole Kaliber .22 (5,6 mm) und Munition. Die Wohnungstüren waren unversehrt, alles sieht nach Selbstmord aus.
Soll es danach aussehen? Das fragte sich am Montag das Gros jener Öffentlichkeit, die nicht dem wirtschafts- und außenpolitischen Schlingerkurs Präsidentin Cristina Fernańdez de Kirchners folgt. Denn der Tod trat Stunden vor einem geplanten Auftritt Nismans vor dem Kongress ein, wo er Vorwürfe vortragen sollte, die er vorige Woche publiziert hatte: Er warf Kirchner (61), Außenminister Héctor Timerman und Funktionären vor, das größte Attentat in der bisherigen Landesgeschichte vertuscht zu haben. Sie hätten versucht, mit dem Iran Geschäfte zu machen und ignoriert, dass acht hohe iranische Funktionäre im Verdacht stehen, das Attentat auf das jüdische Sozialwerk Amia in Buenos Aires im Juli 1994 geplant zu haben. Bei der Explosion einer Bombe wurde damals das Wohnheim der jüdischen Gemeinde zerstört, 85 Menschen starben, über 300 wurden verletzt.
Im Sumpf des Pampalandes
Unter dem syrischstämmigen Präsidenten Carlos Menem (1989 bis 99) versandeten die Ermittlungen, Beweise verschwanden, bis heute laufen Prozesse gegen Menem und Mitarbeiter wegen Vertuschung. Erst der seit 2003 amtierende Néstor Kirchner, der 2007 verstorbene Gatte der jetzigen Präsidentin, schob die Ermittlungen an und schuf die Sonderstaatsanwaltschaft unter Nisman. Folge: Sechs Iraner landeten auf der Interpol-Fahndungsliste, woraufhin sie ihr Land nicht mehr verließen.
Der Versuch des Iran, Argentinien zum Stopp der Fahndung zu bewegen, mündete laut Nisman im iranisch-argentinischen Vertrag von 2012 zur Klärung der Causa. Trotz Protesten hielt die Regierung daran fest, denn Teheran ist ein idealer Partner für das Pampaland, dessen Energievorrat zur Neige ging. „Argentinien wollte Öl importieren, Weizen und Waffen verkaufen“, sagte Nisman, der die Vorwürfe auf 330 Stunden Telefonmitschnitte gründete, inklusive Gesprächen Kirchners und Timermans.
Was nun damit passiert, ist fraglich. Der Rabbiner und Oppositionsabgeordnete Sergio Bergman indes sagte, was viele Argentinier denken: „Alberto Nisman ist das 86. Opfer des Amia-Attentats.“ (af)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2015)