Griechenland: Das Experiment des Alexis Tsipras

Greece´s PM Tsipras looks on during a meeting with Greek centrist party To Potami leader Theodorakis in Athens
Greece´s PM Tsipras looks on during a meeting with Greek centrist party To Potami leader Theodorakis in Athens(c) REUTERS (ALKIS KONSTANTINIDIS)
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Am Dienstag wurde die neue Koalitionsregierung vorgestellt. Finanzminister wurde Gianis Varoufakis. Der Ökonom sagte einst, man hätte das Land pleitegehen lassen sollen.

Der erste Ministerposten der neuen griechischen Regierung, dessen Bestellung durchsickerte, war der des Finanzministers: Ihn wird der Wirtschaftsprofessor und Blogger Gianis Varoufakis übernehmen. Und Jeroen Dijsselbloem, niederländischer Vorsitzender der Euro-Gruppe, hatte ihn bereits am Montag, noch vor seiner endgültigen Bestellung, zu einem ersten Meinungsausstausch angerufen. Varoufakis vertrat in der Vergangenheit unter anderem die Ansicht, dass man Griechenland 2010 hätte bankrottgehen lassen sollen; bekannt ist er auch für seine äußerst kritische Haltung gegenüber Bankenrettungen auf Kosten der Steuerzahler. Die hohen griechischen Staatsschulden machten das Land „nicht lebensfähig“. Wie sich der Wirtschaftstheoretiker in der Praxis bewähren wird, bleibt abzuwarten.

Pläne lagen in Schublade

Auch der Rest der Ministerriege ließ nicht lange auf sich warten. Die neue Regierung stand Dienstagmittag fest, um 17.20Uhr MEZ erfolgte die Angelobung. Ein Teil der Minister zog den religiösen Eid vor, andere den zivilen Eid. Die Pläne für eine großzügige Umstrukturierung der Ministerien durch die neue Koalition aus weit links und weit rechts lagen anscheinend schon lange fertig in den Schubladen der Parteizentrale des Wahlgewinners, des radikalen Linksbündnisses (Syriza) des neuen Ministerpräsidenten, Alexis Tsipras. Es gibt nur zehn Ministerien, vier davon „Superministerien“, dazu drei Ministerien, die direkt beim Premier angesiedelt sind.

Wie angekündigt, beschäftigt sich eines dieser drei Ministerien mit der Bekämpfung der Korruption. Sein Leiter, Panagiotis Nikoloudis, war bisher Chef der unabhängigen Behörde für die Bekämpfung der Korruption, ist also ein Experte, der in der Vergangenheit des Öfteren die untätigen Steuerbehörden kritisiert hat. Ein weiteres direkt bei Tsipras angesiedeltes Ministerium beschäftigt sich mit der Koordination der Regierungstätigkeit, also der Zusammenarbeit zwischen Syriza und dem kleinen rechten Koalitionspartner Unabhängige Griechen (Anel). Ideal für das patriotische Image von Anel-Chef Panos Kammenos ist das Verteidigungsministerium, das er erhält. Weitere Anel-Politiker übernehmen Vizeministerjobs, etwa im Tourismussektor.

Das neue Wirtschaftsministerium unter dem Wirtschaftsprofessor Giorgos Stathakis wird auch Infrastruktur, Verkehr, Schifffahrt und Tourismus umfassen. Ein anderes Superministerium übernimmt der Euro-Kritiker und Chef der innerparteilichen Opposition von Syriza, Panagiotis Lafazanis: Er wird für „produktiven Wiederaufbau“, Umwelt und Energie zuständig sein.

Ein drittes Superministerium vereint das Innenministerium mit Agenden zur Verwaltungsreform, E-Government und Immigrationspolitik. Viertes Superministerium ist das Unterrichtsministerium, das Schulen und Universitäten mit Forschung, Kultur und Kultus verbinden wird. Das schwierige Arbeitsministerium nimmt mit Panos Skourletis ein Vertrauter von Alexis Tsipras ein. Skourletis war bisher Parteisprecher. Das Amt des Regierungssprechers bekommt mit Gavriil Sakellaridis ein Aufsteiger der Regionalwahlen im vergangenen Mai. Der 30-jährige Sakellaridis war Kandidat für den Bürgermeisterposten Athens und konnte die Konservativen in ihrer einstigen Hochburg auf Platz drei verweisen.

Hellas als „Schuldenkolonie“

Der neue Außenminister, Nikos Kotzias, war zeitweise enger Mitarbeiter des ehemaligen sozialistischen Ministerpräsidenten Giorgios Papandreou und Präsident eines Pasok-nahen außenpolitischen Thinktanks. Er schrieb ein Buch über die „Schuldenkolonie“ Griechenland und ist gegenüber der Ukraine-Politik der EU höchst kritisch eingestellt.

Kontrovers ist der Vorschlag der Syriza-Regierung für den Job des Parlamentspräsidenten: Zoi Konstantopoulou hat bisher keine Chance auf lautstarke parlamentarische Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern gescheut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2015)

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