Die Geburtswehen der AfD: Der Ordnungsruf des Professor Lucke

Lucke, chairman of German anti-euro party ´The Alternative fuer Deutschland´ delivers his speech at an election campaign in Hamburg
Lucke, chairman of German anti-euro party ´The Alternative fuer Deutschland´ delivers his speech at an election campaign in Hamburg(c) REUTERS (FABIAN BIMMER)
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Machtkampf und Richtungsstreit beim ersten Parteitag der „Alternative für Deutschland“ in Bremen.

Wien/Berlin. Nicht erst seit Bernd Lucke als EU-Abgeordneter und Wortführer der „Alternative für Deutschland“ (AfD) in Brüssel sitzt – geografisch damit abseits von Berlin, München, Hamburg und Frankfurt, den Machtzentren und Parteizentralen –, kommuniziert, agiert und intrigiert der karenzierte Volkswirtschaftsprofessor am liebsten via E-Mail. Eine Telefonnummer scheint auf seiner Visitenkarte dann auch gar nicht auf.

Die Mails des Herrn Professor sind bei seinen Parteifreunden berüchtigt, und sie haben ihm nicht zuletzt den Vorwurf eingetragen, die Partei nach „Gutsherrenart“, in der Manier eines „Kontrollfreaks“ und als „One-Man-Show“ zu führen. Dabei, so schwört er treuherzig, gehe es ihm lediglich darum, das Chaos der Gründungsphase der AfD zu ordnen und ideologische Irrläufer, die zuhauf auftreten, im Professoren-Gestus zurechtzuweisen.

Wenn sich die Partei knapp zwei Jahre nach ihrer Gründung an diesem Wochenende in Bremen trifft und mehrere tausend Funktionäre und Mitglieder an zwei Veranstaltungsorten zusammenströmen, hat sie die Geburtswehen der „Professorenpartei“ längst nicht hinter sich gelassen. Das Führungsteam hat lediglich einen Burgfrieden geschlossen. Lucke pocht darauf, zum alleinigen Vorsitzenden der AfD zu avancieren – spätestens, so sein Zeitplan, zum Ende des Jahres. Seine Mitstreiter beharren derweil darauf, am Status quo der Machtteilung zwischen den drei Co-Sprechern festzuhalten.

Primus in der Führungstroika

Das ehemalige CDU-Mitglied hatte die Partei zusammen mit den konservativen Mitstreitern, den Publizisten und Ex-Staatssekretär Alexander Gauland und dem ehemaligen FAZ-Feuilletonredakteur Konrad Adam, sowie der sächsischen Unternehmerin Frauke Petry aus der Taufe gehoben. Eher widerwillig akzeptierte Lucke die beiden Mitgründer Petry und Adam als Partner in der Führungstroika, er betrachtet sich selbstredend als „Primus inter pares“, als Anführer des Trios.

Ihr „Baby“ entwickelte sich prächtig, auf Anhieb gelang der AfD 2013 nach nicht einmal einem halben Jahr beinahe der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde in den Bundestag in Berlin. Die Neo-Partei scheiterte nur knapp, bei den Europawahlen schaffte sie locker den Einzug ins Europaparlament, und bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen schrammte sie im Herbst an der Zehn-Prozent-Marke – eine Sensation, die die Union und Kanzlerin Angela Merkel in Nervosität versetzte.

Frustriert von der Merkel-Ära

Merkel untersagte jede Kooperation – oder gar Koalition – mit den Newcomern, oft frustrierten rechtskonservativen Parteigängern aus dem eigenen Fleisch wie Lucke oder Gauland. Ihnen stieß die Öffnung der Partei in der Merkel-Ära auf, die gesellschaftliche Liberalisierung, die Abkehr von der Atomkraft, die Aufgabe konservativer Positionen, kurzum, ihre „Beliebigkeit“.

Zuletzt geriet allerdings die AfD selbst ins Schlingern. Hatte sich Lucke anfangs völlig einem Anti-Euro-Kurs verschrieben, so drängen seine Mitstreiter darauf, die Partei auf eine breitere Basis zu stellen. Manche flirten unverhohlen mit Pegida, der vielschichtigen Wutbürger-Bewegung im Osten Deutschlands. Die Sächsin Frauke Petry empfing eine Pegida-Delegation vor einigen Wochen offiziell in ihrem Landtagsbüro, sie avancierte zur Beraterin und Einflüstererin der Abweichler um Kathrin Oertel. Alexander Gauland betrachtet die Pegida-Anhänger nach einem Lokalaugenschein bei einer Montagsdemo als „natürliche Verbündete“.

Beide kamen Lucke ins Gehege, dem seriösen und peniblen Wirtschaftswissenschaftler, der mit Populismus und Anti-Islam-Propaganda eher wenig am Hut hat. Hans-Olaf Henkel, der Hamburger Spitzenkandidat und Verfechter der Marktwirtschaft, kommt erst gar nicht nach Hamburg. Die Bruchlinien zum rechten – wenn nicht rechtsnationalen Rand – traten deutlich zu Tage, und Luckes Aufgabe wird es sein, sie in Bremen notdürftig zu kitten. Es ist ein schmaler Grat, wie Lucke bei der Parteigründung in einem Mail skizzierte, aus dem der „Spiegel“ zitierte: „Der Name betont das nationale Interesse, ohne nationalistisch zu sein, und er ist europakritisch, aber nicht europafeindlich.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2015)

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