Athen: "Deutschland muss Verantwortung für andere übernehmen"

Griechen-Premier Alexis Tsipras bei seiner Goodwill-Tour durch Europa
Griechen-Premier Alexis Tsipras bei seiner Goodwill-Tour durch Europaimago/Insidefoto
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Die neue griechische Regierung plädiert für einen "Merkel-Plan" nach Vorbild des Marschallplans. Sprich: Ein Hilfsprogramm unter anderem Namen.

Der neue griechische Premier Alexis Tsipras und sein Finanzminister Yanis Varoufakis sind derzeit auf Goodwill-Tour durch Europa: Am Mittwoch wurde Tsipras in Brüssel von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker empfangen, Varoufakis sprach mit EZB-Präsident Mario Drahgi über Athens drängende Liquiditätsprobleme.

Der schwierigste Termin des Finanzministers steht am Donnerstag bevor, wenn er in Berlin Station macht. Schon vorab streute Varoufakis dem Gastgeberland Rosen: "Deutschland ist das mächtigste Land Europas", sagte er im Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit": Er glaube, dass "die EU profitieren würde, wenn Deutschland sich als Hegemon verstünde."

Merkels "wundervolles Vermächtnis"

Was er damit meinte, und dass dies für Deutschland teuer werden könnte, deutete er nur an: Berlin müsse "Verantwortung übernehmen für andere". Er stelle sich einen "Merkel-Plan" vor, analog zum Marschall-Plan nach dem Zweiten Weltkrieg: "Deutschland würde seine Kraft nutzen, um Europa zu vereinigen. Das wäre ein wundervolles Vermächtnis der deutschen Bundeskanzlerin."

Zudem machte Varoufakis vollmundige Versprechungen:  „Griechenland wird - abzüglich der Zinsausgaben - nie wieder ein Haushaltsdefizit vorlegen. Nie, nie, nie!“, sagte er der "Zeit".

"Das wäre kein gutes Geschäft"

Die neue Regierung sucht derweil mit immer neuen Vorschlägen einen Ausweg aus der Schuldenmisere: Nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ schwebt ihr nun vor, Darlehen in Beteiligungen an griechischen Banken zu tauschen. Alleine der Euro-Rettungsschirm EFSF hält 44 Prozent der griechischen Schulden. Die Forderungen des EFSF aus der Bankenrettung betragen demnach 30 Milliarden Euro. Hinzu kämen 10,9 Milliarden Euro für weitere Rekapitalisierungen. Auch diese Mittel wolle die Regierung in das Tauschgeschäft einbeziehen. Im Gegenzug solle der EFSF Anteile an den Banken erhalten, die nach Schätzungen aus Berliner Regierungskreisen aber nur acht Milliarden Euro wert seien. „41 gegen 8 Milliarden Euro, das wäre kein gutes Geschäft“, zitierte die „FAZ“ ihren Informanten.

Gläubiger sind wenig begeistert

Ein ganzes Maßnahmenbündel soll Athen Erleichterung von der Schuldenlast von mehr rund 315 Milliarden Euro verschaffen. So hatte die Regierung bereits einen Umtausch von Staatsanleihen in ewig laufende Papiere und „BIP-Bonds“ ins Gespräch gebracht, die an das Wachstum gekoppelt wären. Die Reaktionen der Gläubiger waren bisher abwartend.

Der italienischen Zeitung "La Repubblica" sagte Varoufakis, die Regierung in Athen habe mit dem zweiten großen Gläubiger, dem Internationalen Währungsfonds (IWF), Gespräche über eine Umschuldung aufgenommen. Dabei gehe es um BIP-Bonds.

Diese Form der Staatsanleihen wurde vor allem in Argentinien eingesetzt. Die Idee dahinter: Die Bonds sind an das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gekoppelt. Erst wenn die Konjunktur wieder brummt, erhalten die Investoren eine Auszahlung.

Athen droht das Geld auszugehen

Athen wird zudem von kurzfristigen Liquiditätsproblemen geplagt: Eine mit der Geldgeber-Troika - die Griechenland ja künftig gar nicht mehr empfangen will - vereinbarte Obergrenze für kurzlaufende Staatsanleihen von 15 Milliarden Euro hat Griechenland bereits ausgereizt. Der Zeitung zufolge sperrt sich die EZB dagegen, weitere Geldmarktpapiere im Volumen von zehn Milliarden Euro auf den Markt zu bringen, um die kommenden drei Monate zu überbrücken. Damit bestehe die Gefahr, dass Griechenland nach dem Ende des laufenden Hilfsprogramms Ende dieses Monats binnen von Wochen das Geld ausgeht.

(APA/Reuters)

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