Ukraine-Krise: Das letzte diplomatische Aufgebot

Putin, Hollande, Merkel
Putin, Hollande, Merkel APA/EPA/SERGEI ILNITSKY
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Die deutsche Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande verhandeln mit Präsident Putin über ein Friedensabkommen. Es könnte beträchtliche Zugeständnisse an Moskau enthalten.

Wien/Kiew/Moskau. Der Himmel über Moskau war dunkel und wolkenverhangen, als das Flugzeug am späten Nachmittag auf dem Airport Wnukowo-2 landete. In schwarzer Winterjacke und schwarzer Hose schritt Kanzlerin Angela Merkel zügig die Gangway hinab und war auch schon in der Limousine mit deutscher Flagge verschwunden. Kurz darauf tauchte sie wieder auf Aufnahmen aus dem Kreml auf: Merkel am weißen Tisch, vor ihr ein Block, ein Übersetzungsgerät, ein Blumengesteck vis-à-vis und ihr Verbündeter, François Hollande. Links von der Kanzlerin der Gastgeber, Wladimir Putin. Ein Sechs-Augen-Gespräch ohne Delegationsmitarbeiter und Berater – „von Angesicht zu Angesicht“, wie es Kremlsprecher Peskow ausdrückt.

Das Treffen im Kreml ist ein angestrengter Versuch des deutsch-französischen Tandems, den Krieg im Donbass mit bereits knapp 5400 Toten zu beenden. Merkel und Hollande wollen eine „umfassende Einigung“ erzielen, wie Letzterer gestern vor seinem Abflug aus Paris sagte. Eine Einigung, die länger hält als eine mehrtägige Feuerpause und die von Russland und der Ukraine gleichermaßen akzeptiert werden kann. Eine äußerst schwierige Aufgabe. Merkel gab offen zu, dass der Ausgang der Friedensmission offen sei.

Zu konträr waren bisher die Positionen in Kiew und Moskau, um einen Kompromiss zu erzielen. Doch das deutsch-französische Duo arbeitete sich schrittweise vor: Tags zuvor hatten sie ihre Position in einem mehrstündigen Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten, Petro Poroschenko, abgestimmt; auch mit den USA ist der Versuch akkordiert. Putin soll bereits reagiert haben – mit Gegenvorschlägen.
Merkel und Hollande wollen dem Memorandum von Minsk, unterzeichnet von den Konfliktparteien im September 2014, neues Leben einhauchen. Das Problem: Die Verhältnisse auf dem Boden sind längst andere geworden, die Frontlinie hat sich zugunsten der prorussischen Freischärler verschoben. Die Separatisten haben in den vergangenen Wochen mehr als 500 Quadratkilometer erobert – und weitere Gebietsgewinne drohen bei einem Andauern der Kämpfe. Russland fordert seit einiger Zeit, dass das Referendum „nachgebessert“ werden müsse; die Separatisten erklärten das Abkommen für tot.

Laut einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ dürften die Gebietsgewinne im Merkel-Hollande-Plan akzeptiert werden. Außerdem soll der Plan eine Autonomie für den besetzten Donbass vorschlagen; ein weiteres Entgegenkommen an Moskau, das stets eine umfassende Föderalisierung der Ukraine gefordert hat. Der „Figaro“ berichtete gar, die Ukraine soll zu einem blockfreien Status verpflichtet werden, dabei hob das Kiewer Parlament diesen kürzlich auf. Merkels Sprecher Steffen Seibert wies die Berichte zurück.

Die für Kiew schmerzlichen Details könnten in einem Zusatz stehen, so die „Süddeutsche“, damit das Minsker Memorandum offiziell nicht infrage stehe. Das Kleingedruckte dürfte für die unterlegenen Ukrainer schwierig zu verkaufen sein; womöglich steht ein Köpferollen in Regierung und Armee an.

Drohkulisse aus Waffen und Sanktionen

Jegliche Einigung begänne mit der Einhaltung eines Waffenstillstands, mit dem Abzug von Kriegsgerät und der regulären und irregulären Kampfverbände. Die politischen Repräsentanten der selbst erklärten Volksrepubliken würden in Folge zu offiziellen Gesprächspartnern aufgewertet, mit denen Kiew verhandeln muss. Moskau hätte eines seiner Ziele erreicht: ein politisch abgesichertes Stellvertreterregime in Donezk und Luhansk – ein Einfrieren des Konflikts.

Sollten Merkel und Hollande keine Einigung erreichen, droht der Kampf mit aller Härte weiterzugehen. In diesem Fall könnte die EU neue Sanktionen gegen Russland erlassen. Raum nach oben gibt es: insbesondere Maßnahmen im Finanzbereich, als schärfste Strafe gilt die Aussetzung des Swift-Abkommens mit Russland. Damit würde Russland vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten. Und die USA könnten ihre Drohung wahr machen und defensive Waffen an die Ukraine liefern. Doch fraglich ist, ob sie rechtzeitig eintreffen würden.

Im Donbass selbst sind die Separatisten ein weiterer schwer berechenbarer Faktor. Die Lokalherrscher von Donezk und Luhansk, an die Macht gekommen mit Gutheißen des Kreml und abgesichert durch Kämpfer und Waffen, sind nicht unbedingt an einer Deeskalation interessiert. Insbesondere einige Kommandeure arbeiten in diesem Krieg auf eigene Rechnung. Ein Besuch in Moskau dürfte nicht reichen, um den Bürgern des Donbass ihren Frieden zurückzugeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2015)

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