Ukraine-Krise: Hoffnungen ruhen auf Minsk

People fish at a frozen lake in Minsk
People fish at a frozen lake in Minsk(c) Reuters (VASILY FEDOSENKO)
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Die Staatsoberhäupter von Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine wollen sich am Mittwoch in der weißrussischen Hauptstadt treffen. Manche hoffen auf einen Wendepunkt, andere deuten dies als Zeichen, wie ernst die Lage derzeit ist.

Die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine planen nach deutschen Angaben ein Gipfeltreffen zur Beilegung des Ukraine-Konflikts. Man wolle am Mittwoch in der weißrussischen Hauptstadt Minsk zusammentreffen. Dabei gehe es um eine umfassende Regelung des Konflikts im Osten der Ukraine, sagte der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert am Sonntag. Auch die Unterzeichner des Minsker Abkommens vom September, die sogenannte Kontaktgruppe aus Vertretern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Russlands und der Ukraine sowie der prorussischen Separatisten sollen bis Mittwoch in Minsk zusammenkommen, wie Seibert mitteilte.

Kremlchef Putin hat ein Ukraine-Krisentreffen am Mittwoch in der weißrussischen Hauptstadt Minsk an eine vorherige Einigung geknüpft. Wenn es gelinge, eine Reihe von Positionen in den kommenden Tagen anzugleichen, könne es ein Treffen mit ihm und dem ukrainischen Staatsoberhaupt Petro Poroschenko sowie Kanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Francois Holland geben. Der ukrainische Staatschef teilte indes mit, er hoffe die Gespräche in Minks führten zu einem "raschen und bedingungslosen" Waffenstillstand.

Kleines Hoffnungszeichen

Das Gipfeltreffen könnte einen Wendepunkt im Ukraine-Konflikt markieren. Dass sich Merkel entschieden hat, nach Minsk zu reisen, gilt als ein kleines Hoffnungszeichen, dass es eine Lösung geben könnte. Denn im Jänner hatte Merkel einen Vierer-Gipfel noch abgelehnt, wenn es keine Aussicht auf einen Durchbruch gebe. Andere deuten dies als Zeichen, wie ernst die Lage derzeit ist. Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande, so hieß es in diplomatischen Kreisen auf der Münchner Sicherheitskonferenz, würden derzeit alles versuchen, um einen drohenden vollen Krieg in der Ostukraine zu verhindern.

Die größten Streitpunkte

Dass das Treffen in Minsk stattfindet, wird in Verhandlungskreisen als kleines Zugeständnis an Ukraines Präsidenten Poroschenko gewertet. Am Ende könnte ein "leicht modifiziertes" Minsker-Abkommen stehen, das den innenpolitisch erheblich unter Druck stehenden Poroschenko das Gesicht wahren ließe.WAFFENSTILLSTANDSLINIE

Im Abkommen wurde eine Demarkationslinie festgelegt, die wegen des Vormarschs der Separatisten nicht mehr identisch mit dem aktuellen Frontverlauf ist. Grob zusammengefasst ist eine Idee, die Gespräche von der heutigen Linie aus beginnen zu lassen - aus rein praktischen Gründen. Aus Sicht Merkels, Hollandes und Poroschenkos muss klar sein, dass die von Separatisten kontrollierten Gebiete am Ende wieder Teil des ukrainischen Staatsgebietes sind.

Die Linie ist deshalb wichtig, weil erst mit ihrer Festlegung auch die Vereinbarungen über den Rückzug schwerer Waffen und die Einrichtung einer Pufferzone getroffen werden können. Diese würden zumindest das Blutvergießen stoppen und den Konflikt auf dem heutigen Stand "einfrieren".

AUTONOMIE UND LOKALWAHLEN

Im Minsker Abkommen ist eine weitgehende Autonomie (Sonderstatus) für die Ostukraine vereinbart. Fraglich ist aber, ob dies nur für die von Separatisten kontrollierten Gebiete gelten soll oder auch für anderen Gebiete. Denn die Separatisten beherrschen derzeit nur etwa die Hälfte der alten Regierungsbezirke Donezk und Luhansk (Lugansk).

UKRAINISCH-RUSSISCHE GRENZE

Sehr schwierig ist wie schon im vergangenen Jahr die Frage, wie sich die ukrainisch-russische Grenze kontrollieren lässt, über die nach Angaben westlicher Sicherheitskreise fast jede Nacht militärischer Nachschub für die Separatisten rollt. Seit Jänner sollen aus Russland auch moderne Kampfpanzer des Typs T80 an die Separatisten geliefert worden sein.

Im vergangenen Jahr hatte es die Idee einer deutsch-französischen Drohnenüberwachung oder der Kontrolle durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gegeben. Putin hatte aber nach Angaben aus diplomatischen Kreisen auch in der vergangenen Woche abgelehnt, dass ausländische Sicherheitsexperten die Grenze von der russischen Seite aus kontrollieren. Offizieller Grund ist die Angst vor westlicher Spionage. Ohne eine zugesagte und kontrollierbare Überwachung der Grenze ist ein Friedensabkommen aber aus ukrainischer Sicht sinnlos.

Weißrussland: Wirtschaftlich von Putin abhängig

Traditionell ist Minsk, die Hauptstadt der Ex-Sowjetrepublik, kein Schauplatz diplomatischer Bemühungen. Weißrussland gilt als letzte Diktatur Europas und vollstreckt als letzes Land auf dem Kontinent noch die Todesstrafe. Regiert wird der zwischen Polen und Russland gelegene Staat seit 1994 vom autoritären Präsidenten Alexander Lukaschenko. Der wegen gravierender Menschenrechtsverstöße kritisierte Staatschef hat sich früh im Ukraine-Konflikt als Vermittler angeboten. Der 60-Jährige hat einen guten Draht zum ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und zu Kremlchef Wladimir Putin. Wirtschaftlich ist das Belarus von Russland abhängig.

Minsk gilt für Russen und Ukrainer als neutrales Gebiet. Alternative Tagungsorte etwa im Westen scheiden de facto auch deshalb aus, weil viele führende Vertreter der Aufständischen mit Reiseverboten belegt sind. Das von der EU und den USA mit Sanktionen belegte Weißrussland hofft durch die Vermittlerrolle zugleich auch auf internationale Aufmerksamkeit.

(APA)

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