Die Schergen des Wladimir Putin in der Ostukraine

epaselect UKRAINE CRISIS
epaselect UKRAINE CRISIS(c) APA/EPA/ALEXANDER ERMOCHENKO (ALEXANDER ERMOCHENKO)
  • Drucken

Die „starken Männer“ in Donezk und Luhansk verweigern sich dem Dialog in Minsk. Sie spüren Aufwind.

Als politische Akteure saßen die selbst ernannten Führer der Volksrepubliken Donezk und Luhansk vor nicht einmal einem halben Jahr mit am Tisch in Minsk, als die Konfliktparteien einen Waffenstillstandspakt unterzeichneten, der ein paar Monate später Makulatur war. Diesmal fanden es Alexander Sachartschenko und Igor Plotzniki erst einmal nicht der Mühe wert, zum Krisengipfel in die weißrussische Hauptstadt zu reisen, weil sie ohnehin nicht gewillt waren, den Kompromiss mitzutragen, der ihnen weitgehende Rechte einräumen würde. Sachartschenko entsandte seine Nummer zwei, Denis Puschilin, zu den Sondierungen – um im Gespann mit Plotzniki am Ende doch noch aufzutauchen und das Abkommen zu signieren.

Bis unmittelbar vor Beginn des Treffens versuchten die prorussischen Separatistenführer indessen, vollendete Tatsachen zu schaffen. Zuletzt erzielten die mit russischer Technik aufgerüsteten Separatisten Geländegewinne im Donbass, sie schlugen die ukrainische Armee am schwer umkämpften Flughafen in Donezk zurück, in mehreren Wellen griffen sie sogar die Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer an, die Verbindung zur Halbinsel Krim. Sachartschenkos deklariertes Ziel ist die Ausweitung seiner Einflusssphäre auf den gesamten Bezirk Donezk.

Antisemitische Propaganda

Sachartschenko, meist in martialische olivgrüne Uniform und blau-weiß geringeltes Matrosenshirt gekleidet, schwadronierte siegesgewiss sogar von einer „Generalmobilmachung“ seiner Einheiten, von einer Einberufung von 100.000 Mann. In einer seiner Tiraden hetzte er dabei auch gegen die „armseligen Vertreter des jüdischen Volks“ in der Kiewer Regierung, und er offenbarte dabei antisemitische Propaganda.
Der 38-Jährige, ehemals Elektriker in einem Bergwerk, ist die schillerndste Persönlichkeit unter den Separatisten und ein Mann der ersten Stunde im ostukrainischen Bürgerkrieg. Finanziert angeblich von Viktor Janukowitsch, dem gestürzten Präsidenten, und seinen Gefolgsleuten im russischen Exil in Rostow, stürmte er mit Mitstreitern der Kampfsport-Einheit Oplot vor bald einem Jahr das Rathaus in Donezk – der Startschuss für den Konflikt mit der Regierung in Kiew.

Zunächst hatten bei den Separatisten noch Russen das Sagen, Afghanistan- und Tschetschenien-Veteranen, Geheimdienstoffiziere wie Igor Girkin alias „Strelkow“ („Blitz“). Der selbst proklamierte Verteidigungsminister der „Volksrepublik Donezk“ fantasierte von einem „Neurussland“. In dem Maße, in dem Girkin – vor allem im Zusammenhang mit dem Abschuss der Malaysia-Airlines-Maschine MH 17 im Juli über der Ostukraine – ins Visier des Westens geriet und Moskau ihn schließlich zurückpfiff, rückten Ukrainer wie Sachartschenko oder Plotzniki in den Vordergrund. Zug um Zug übernahmen sie das Kommando.

Känguru-Safari in Australien

Sachartschenko verriet freilich mehr über die Herkunft der sagenumwobenen „grünen Männchen“, als es seinen insgeheimen Befehlsgebern lieb sein konnte. Russische Soldaten, so seine Diktion, würden lediglich im „Urlaub“ beim Aufstand der separatistischen Waffenbrüder aushelfen. Mit der Unterstützung aus Russland gewannen die Separatisten nach und nach die Oberhand im Bürgerkrieg. Die zu einer Farce verkommenen Wahlen im Spätherbst bestätigten die „starken Männer“ der Separatisten mit Zweidrittel- bis Dreiviertel-Mehrheiten als Chefs.

Sachartschenko versprach seinen Anhängern das Blaue vom Himmel – etwa Safaris nach Australien zum Abschuss von Kängurus. „Wir sind wie die Vereinigten Arabischen Emirate – nur wir sind im Krieg.“ Während Denis Puschilin (33) in Zivil auftritt, in Anzug und Krawatte, verkörpert der bullige Igor Plotzniki als Ex-Major der Roten Armee und Unternehmer die untergegangene Sowjetära. Der 50-Jährige führte das Bataillon „Morgenröte“, und er agiert wie ein Militär aus dem 19. Jahrhundert. Im November forderte er Petro Poroschenko zum Duell „auf Leben und Tod“ heraus, doch der ukrainische Präsident beschied ihm lapidar, er sei einzig und allein bestimmt für ein Duell mit der Justiz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.