Ägyptische Abhöraffäre: „Sie haben Geld wie Reis“

(c) APA/EPA/OFFICE OF EGYPTIAN PRESI (OFFICE OF EGYPTIAN PRESIDENCY /)
  • Drucken

Geheime Gesprächsprotokolle bringen Präsident al-Sisi in die Bredouille. Der Ex-Militärchef verhöhnte Saudiarabien und die Golfstaaten. Ihre Milliarden zweigte er für die Armee ab.

Kairo. Interviews gibt Ägyptens Präsident Abdel Fatah al-Sisi selten. Und wenn er einmal Journalisten zu sich in den Präsidentenpalast bittet, müssen sie ihre Aufnahmegeräte abgeben und die Antworten des Staatschefs per Hand mitschreiben. Mit Tonband-Mitschnitten hat der Ex-Feldmarschall zuletzt schlechte Erfahrungen gemacht. Seit ein türkischer Satellitensender zwei heimliche Mitschnitte aus dem Zentrum der ägyptischen Macht veröffentlichte, in denen die Golfstaaten verächtlich als „Halb-Staaten“ verspottet und Sisi unter dem Gelächter seiner Mitarbeiter erklärt, „die haben doch Geld wie Reis“, droht dem bankrotten Staat am Nil neues Ungemach.

Nebenbei ziehen die Männer im Zimmer von al-Sisis Bürochef auch noch unflätig über die Mutter des Emirs von Katar her. Hektisch versuchte der düpierte Präsident, Stunden vor dem kürzlichen Kairo-Besuch von Wladimir Putin, die Wogen bei den Emiren und Königen zu glätten, nachdem die übliche Ausrede, das Ganze sei eine Verschwörung der Muslimbruderschaft oder eine elektronische Intrige ausländischer Geheimdienste, nichts gefruchtet hatte.

Milliardenschwere Geschenke

Denn es steht viel auf dem Spiel. Der Erfolg der großen Investorenkonferenz Mitte März in Sharm al-Sheikh hängt vor allem von den Golfstaaten und ihren Geschäftsleuten ab. Im kommenden Sommer braucht Ägypten, wie schon 2014, erneut milliardenschwere Geschenke an Benzin, Diesel und Gas, um einen totalen Energiekollaps zu verhindern. Auch die geplanten ägyptischen Rüstungskäufe in Russland sollen Saudiarabien und die Vereinigten Arabischen Emirate finanzieren. Der neue saudische König Salman ließ sich nach dem telefonischen Kotau Sisis zwar auf ein Kommuniqué mit den üblichen Bruderschwüren zwischen arabischen Potentaten ein, doch der gewünschte Waffenscheck über 3,5 Milliarden Dollar blieb einmal aus.

Die Twitter-freudige Bevölkerung des Königreiches dagegen nahm sich kein Blatt vor den Mund. Die Hashtags „Sisi verachtet den Golf“ und „Sie haben Geld wie Reis“ waren sofort die Hits der Woche. Viele kritisierten die Äußerungen als „skandalös“ und forderten, die Zahlungen an das „undankbare“ und „unverschämte“ Ägypten sofort zu stoppen. Der Mitschnitt selbst auf der Website des in der Türkei operierenden Senders „Mukameleen“ wurde gleich mehrere hunderttausend Mal angeklickt.

Für die innere Lage Ägyptens ist vor allem brisant, dass Sisi in der ein Jahr alten Aufzeichnung fordert, zehn Milliarden der Hilfsdollar aus Saudiarabien direkt auf die Konten der Armee abzuzweigen. „Wir brauchen zehn von Saudiarabien für das Armeekonto“, ist der Feldmarschall zu hören. „Dann brauchen wir noch zehn von den Emiraten und zehn von Kuwait. Zusätzlich können sie auch ein paar Pfennige in der Zentralbank abwerfen, dann wäre der Staatshaushalt 2014 fertig.“

In einem zweiten Mitschnitt ist zudem die Rede davon, dass 100 Tonnen Arzneimittel, die Saudiarabien mit 16 Flugzeugen „für das ägyptische Volk“ schickte, nicht an öffentliche Krankenhäuser ausgeliefert wurden, sondern in den Magazinen der Armee landeten. Auch drei mobile Spitäler der Saudis blieben eingemottet und wurden nie für die Bevölkerung genutzt. Ein Plan, das wertvolle Geschenk mit Verspätung doch noch an das Gesundheitsministerium auszuhändigen, wurde verworfen. Dadurch werde nur der Verdacht geschürt, warum dies nicht früher geschehen sei, argumentierte Sisis Büroleiter.

Retourkutsche aus Riad

Als erster nahm der saudische Prinz Saud bin Saif al-Nasr, ein Enkel des Staatsgründers, die Politik seines Landes öffentlich aufs Korn und forderte in einer Serie von Tweets, alle sollten vor Gericht gestellt werden, die den Putsch in Ägypten unterstützt hätten. Offen beschuldigte er den von König Salman kürzlich abgelösten Generalsekretär des Hofes, Khalid Tuwaijri, 20 Milliarden Dollar aus dem Staatsschatz gestohlen und zwischen sich und der ägyptischen Armee aufgeteilt zu haben. Die Bevölkerung am Nil dagegen leide nach wie vor „unter Krisen bei Strom, Gas und sogar Brot“, kritisierte der Prinz. „Trotz der Milliarden, die wie Regen auf die Generäle niedergegangen sind, wurde nicht ein einziges Problem gelöst.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.